WG Konzertberichte

Wise Guys – 03.03.2002 – WDR Lilipuz – Köln … live im Radio

LILIPUZ-Konzert live aus dem WDR-Funkhaus

„Wenn fünf junge Männer aus Köln auf der Bühne stehen und Lieder mit witzigen Texten singen und auch sonst noch viel Quatsch machen, dann sind das ziemlich sicher die „Wise Guys“. Diese „klugen Jungs“ – so kann man den Namen der Gruppe übersetzen – singen ohne Instrumente. Der Musiker sagt dazu a cappella. Und trotzdem klingt es manchmal so, als ob ein Schlagzeug mitspielt, aber auf der Bühne steht keins. Die Guys werden uns vorführen, wie sie die Schlagzeug-Klänge machen. Und sie sollen uns viel über die Gruppe und ihre Lieder erzählen.“

So stand es auf der WDR-Homepage, und da ich immer schon mal gerne wissen wollte, wie kluge Jungs Schlagzeug-Klänge machen, kaufte ich Eintrittskarten. Um unauffällig in eine Kindersendung gehen zu können, brauchte ich jugendliche Begleiter. Meine Kinder guckten nicht besonders begeistert, als ich ihnen die frohe Neuigkeit erzählte. “Wise Guys? Wir waren doch erst letzte Woche auf dem Konzert in Koblenz. Das reicht eigentlich bis zum Tanzbrunnenkonzert.” Meine Kinder kennen die Wise Guys Lieder auswendig, wiederholen zu Hause stundenlang und mit vergnügtem Gelächter Däns Anmoderationen, gehen aber nur hin und wieder zu Konzerten mit, weil ihnen das in der ständigen Wiederholung zu langweilig wird. Sehr nachsichtig nehmen sie aber das bekloppte Verhalten ihrer Eltern in Kauf und fragen nur mal mit hochgezogenen Augenbrauen und missbilligendem Tonfall: “Geht ihr schon WIEDER zu einem Konzert?” Eine Art Rollentausch, denn das ist ja sonst der Text, den Eltern zu ihren Kindern sagen. Um uns die Freude nicht zu verderben, sagten sie zu, jedoch verbunden mit der Drohung: “Wenn das ein bescheuerter Nachmittag wird, machen wir euch dafür verantwortlich!”

Als komplette Familie kamen wir gutgelaunt an. Es war viel los im Foyer und die Schlange vor der Garderobe lang. Jetzt kam der ausgeklügelte Trick zum Einsatz. Die Kinder gaben uns ihre Jacken, erhielten ihre Eintrittskarte und sollten den ‘Leuten ohne Jacke’ hinterherlaufen, um zügig in den Saal zu gelangen und sich einen guten Platz zu suchen. Der Gatte und ich würden uns etwas später irgendwo nach hinten setzen. Geschickt geplant und perfekt in die Tat umgesetzt. Ich schickte die Kinder einer Gruppe von Leuten hinterher, die aus Richtung der Garderoben kamen und zielsicher den Flur entlangliefen. Dann wartete ich zufrieden vor der Garderobe, bis ich endlich die Jacken loswerden konnte. Ein dummes Gesicht machte ich erst, als die Kinder plötzlich wieder neben mir standen. Der perfekte Plan hatte unerwartete Lücken gezeigt. Ich hatte sie ahnungslos einer Besuchergruppe, die gerade eine Führung machte, hinterhergeschickt und sie waren plötzlich entdeckt und zurückgebracht worden.

Der Sendesaal mit 600 Plätzen war voll mit Kindern und Eltern. Es herrschte eine Aufregung und ein Kinderstimmengewirr wie vor einer Kasperlevorstellung und war ganz anders als sonst. Die Moderatorin Insa erschien, war nett, kindgerecht, etwas aufgedreht und brachte die Kinder in die richtige Stimmung. Alle sollten gleichzeitig ihren eigenen Namen rufen, was auch mit Höllenlärm geschah und auf die Frage, ob alle zusammen eine schöne Sendung machen sollen, riefen die Kinder ein lautes Kasperle-”Jaaaaaaaaa!” Die Tonverfremdung über das Mischpult wurde eindrucksvoll gezeigt, indem ein Vater aus dem Publikum eine klagende, piepsige Kinderstimme bekam, dafür aber ein kleiner Junge aus der ersten Reihe mit tiefer Männerstimme tönte: “Ich bin der Paul.” Die Zuschauerkinder hatten einen Riesenspaß und verfolgten aufmerksam, was ihnen Insa präsentierte. Auch ein spontaner Chor aus 10 Zuschauerkindern kletterte auf die Bühne und sang herzhaft “Happy Birthday”, versiegte dann jedoch bei “lieber …”, denn das war nicht gesagt worden und sollte eine Überraschung werden.

Zum Abschluss wurde noch schnell der ‘Lilipuz’-Ruf für den Anfang der Sendung geübt, und dann kündigte Insa die Wise Guys an, die vor Beginn der Sendung noch ein Lied singen wollten. Die Jungs liefen auf die Bühne, Insa winkte den Applaus heftig ab: “Hier steht ‘ne Uhr, gleich geht die Sendung los!”, und When I’m 64 begann. Zuerst wie gewohnt, beim Blick auf die Uhr und die verzweifelt rudernde Insa immer schneller. Die beiden letzten Strophen wurden fast im doppelten Tempo gehetzt, Insa sprang hektisch abwinkend über die Bühne, Sari zog seine letzte Strophe in 10 Sekunden durch  und der beginnende Applaus wurde von Insa sofort energisch unterbunden. In Hochspannung wartete sie auf den Sendebeginn und flüsterte dann in die atemlose Stille ein enttäuschtes “Verkehrsnachrichten”. Aber die Spannung blieb, denn alle warteten auf den Einsatz zum ‘Lilipuz’-Ruf. Und dann: Das Jingle war zu hören, der Name der Sendung erklang, und die Kinder brüllten auf Einsatz lautstark: “Ell – i – ell – i – peh – u – zett  – – – – Lilipuz!!!”

Die Wise Guys standen immer noch einsatzbereit auf der Bühne und starteten sofort mit Showtime, das aus gegebenem Anlaß mit der Textänderung “Hallo, liebe Kinder …” begann. Insa wippte am Bühnenrand mit und am Ende des Liedes gab es viel Beifall und Kindergejubel. Danach hatte die Moderatorin die tolle Idee, dass sich die Wise Guys selber vorstellen sollten. Das war nicht abgesprochen, wie man an den etwas verblüfften Gesichtern der Jungs sehen konnte. Dän löste das Problem fast perfekt mit: “Ich bin der Dän, einer von den Wise Guys.” Sari beschrieb dann lieber den Clemens: “Der ist ein bisschen kleiner als der Daniel …”, er guckte ihm ganz nah und intensiv ins Gesicht, “… und möchte gerne einen Bart haben, glaube ich.” Clemens konterte: “Der Sari glaubt, er HÄTTE einen Bart”, und erzählte etwas von “Gekräusel auf der Stirn”, korrigierte es dann aber in “am Kinn hat er das.” Ferenc beschrieb das Aussehen von Eddi mit “der hat einen Pferdeschwanz, also lange Haare und manchmal macht er die auch auf und singt dann Frauenstimmen”, was die Erwachsenen im Saal zum Grinsen brachte. Eddi erklärte, dass Ferenc der Alterspräsident sei, ein bisschen weniger Haare als die anderen hätte und darum von ihnen auf den Arm genommen würde.  

Insa erzählte, dass auch die Kinder außerhalb Kölns die Wise Guys sehen könnten, da sie in ganz Deutschland Konzerte geben würden. Dän warf ein: “Das einzige Problem ist, dass die Kinder manchmal schon ins Bett müssen, weil wir oft Konzerte um acht Uhr abends machen.” Insa unterbrach ihn mit einem lauten: “Heute niiiiicht!!”, und das war ein typisches Beispiel für den weiteren Verlauf der kleinen Interviews. Es war turbulent und witzig für die Kinder, die im Saal zusahen und für alle, die am Radio mithörten, aber ziemlich blöd für die Wise Guys, die keine zwei Sätze sprechen konnten, ohne befürchten zu müssen, dass ihnen Insa mittenrein fuhr und das Thema wechselte.

Mädchen, lach doch mal wurde gesungen, die Kinder zappelten und kicherten bei den Känguru-Sprüngen und freuten sich, dass die Wise Guys Quatsch machten. Mit ganz kurzer Ansage und völlig ohne den Übungsteil der Zuschauer ging es mit Kaiser Franz weiter. Es gab freie Geräuschewahl. Ich tobte mich völlig aus und hatte endlich mal viel Spaß am Mitmachteil, beherrschte mein Geräusch perfekt und konnte es überzeugend gut bringen. Als der Fee der Flügel amputiert wurde, begann ich allerdings über den Text nachzudenken, der „breiweiche Kiefer“ war auch nicht so ganz hübsch und bei „… hätte ich bei ‘ner kleinen Weihnachtsfeier
plötzlich große Lust und auch noch richtig dicke …“, rutschte ich kichernd in den Sessel. Oh, je. Das fällt einem erst in einer Kindersendung auf, was das für ein Text ist. Die meisten Eltern trauten sich nicht laut zu lachen, weil sie dann ihren Kindern später hätten erklären müssen, warum.  

Danach gab es zur großen Freude das besonders bei Kindern beliebte Techno. Der Rhythmus knallt los, viele Kinder standen begeistert von ihren Plätzen auf und ich musste bei “Who the fuck is Entchen” schon wieder loslachen.

Dän erklärte im darauffolgenden Gesprächsteil, wie ein Schlagzeug mit dem Mund gemacht wird, machte “Ukz ukz ukz” und hielt sich sein Mikro an den Hals. Sari führte seine Trompete vor und Insa erklärte dabei für die Radiohörer: “Also er hält sich seine Nase zu …”, woraufhin Sari sofort abbrach und erklärte: “Aber das ist nur für die Show, die Nase.” Im Zuschauerraum gab es Geräusche, weil fast alle Kinder leise die Trompete oder das Ukz übten. Zwei Mädchen aus dem Publikum, Raja und Mona, durften auf die Bühne und mit Dän die Mouthpercussion üben. Es sah total süß aus, wie sie klein und zierlich neben dem großen Dän standen, sie reichten ihm gerade knapp bis über seinen Bauchnabel, und produzierten dabei ziemlich gut mit ihren Kinderstimmen “Ukz”, “Dummm”, “Dm” und “Pffft” ins hingehaltene Mikro.

Zur weiteren Demonstration wurde Jetzt ist Sommer gesungen, was sehr schön laut mitgeklatscht wurde. Insa brachte danach das norddeutsche Wort „schnatterig“ für „frieren“ an, eine Bezeichnung, die Dän ganz unbekannt war. “Wie heißt das hier in Köln wenn man friert?”, fragte Insa interessiert und Dän antwortete: “Arschkalt”. Ich hatte schon wieder einen Grund zu grinsen.

Es folgte ein weiteres Interview über die Anfänge der Wise Guys. Clemens erzählte und wurde mitten in seinen Erklärungen sehr auffällig von Insa auf Ferenc hingewiesen, damit er auf ihn überleitete. Gleichzeitig brach auf der Bühne ziemliche Hektik aus. Die anderen Wise Guys suchten mit Blicken den Bühnenboden ab, Eddi eilte aus dem Saal, kam zurück, Dän flüsterte ihm etwas zu und er verschwand erneut im Laufschritt. Das Interview wurde länger und länger, denn die Musik konnte erst weitergehen, wenn Eddi wieder da war. Das war schon ziemlich spannend beim Zusehen, denn auf der Bühne musste lässig und ruhig geredet werden, während drumherum Unruhe zu sehen war. Als Eddi nach einiger Zeit wiederkam, drückte er Dän einen kleinen Gegenstand in die Hand und das folgende Lied konnte endlich angesagt werden. Es war ‚Rollbrett‘, ein Lied bei dem Eddi und Dän Gitarre spielen mussten und dazu Plektren brauchten, die vorher in der Garderobe geblieben waren.

Rollbrett legte gut los, und diesmal sangen eine Menge Erwachsene sehr textsicher mit. War schließlich ein altes Bläck Fööss Lied aus ihrer Jugend.
“So, Jungs, jetzt haben wir was für euch”, begann Insa nach dem Verklingen des Applauses und die Wise Guys bekamen große, erstaunte Augen. “Jetzt gucken wir mal, ob ihr auch was hören könnt, von dem ihr nicht wisst, dass es da ist.” Leicht erschreckt lauschten sie einer Frauenstimme, die plötzlich im Raum erklang, aber die Gesichter wurden schnell sehr freudig und entspannt. Es war die Stimme ihrer früheren Musiklehrerin, Frau Dohr, die dann auch persönlich hinter der Trennwand hervorkam und lachend begrüßt wurde.

Sie erzählte aus der Schulzeit, hielt dabei das Mikro fest in der Hand und ignorierte alle Versuche von Insa, ihr das Mikrofon wieder abzunehmen. “Typisch Lehrer!” kommentierte das eine Stimme hinter mir grinsend. Zum Vergnügen des Publikums redete sie in einem Stück weiter, Insa wedelte wild herum, zog Grimassen und griff bei der ersten Applauspause mit wilder Entschlossenheit nach dem Mikro und nahm es wieder an sich. Das hinderte zwar Frau Dohr nicht, auch ohne Mikro noch einen letzten Satz hinterherzuschieben, aber der war nicht mehr über den Sender zu hören. Es wurde ihr aber alles verziehen, denn sie war die Frau, die den Wise Guys im Unterstufenchor die Grundlage ihrer Karriere ermöglicht hatte.

Es folgte die Heiße Liebe, und beim Blick in den Saal wurde mir schlagartig klar, dass hier einige Eltern ihre Kinder zum Konzert überredet hatten, damit sie selber die Wise Guys hören konnten- Viele sangen laut mit und achteten überhaupt nicht mehr auf ihren Nachwuchs. Danach kam dann nochmal der Zuschauer-Chor auf die Bühne, mit etwas Glück wurde im Publikum eine Petra gefunden, die Geburtstag hatte, und zusammen mit den Wise Guys sangen die 10 Zuschauerkinder „Happy Birthday“. Es war mehrstimmig, also fünf Stimmen von den Wise Guys und mindestens sechs weitere von den Kindern. Paul aus dem Chor wollte dann noch unbedingt Schlagzeug-Geräusche vorführen, quietsche zunächst ein wenig wie Flipper, klatschte in die Hände und machte dann: „Ukz“. Sehr niedlich.

Danach war Schlag mich, baby dran, und die Kinder guckten fasziniert auf die Wise Guys, die eigentlich erwachsen, aber trotzdem so albern waren. Anschließend leichte Verwirrung, denn es war wohl noch Zeit da, aber es stand nichts mehr auf Insas Ablaufzettel, so dass ihr hektisches Gefuchtel fragende Blicke auslöste und Dän kurzfristig Die Frau hat Rhythmus vorschlug. Eddis Text vom ”falschen Körperteil, mit dem Männer denken”, und sein heftiger Michael-Jackson-Griff zwischen die Beine fiel in dieser Kindersendung kaum noch auf.

Beim Root Beer Rag erlaubte Insa den Kindern in den ersten Reihen zu tanzen, aber bei dem Tempo wollte das keines. Nach dem großen Endapplaus gab es das Zeichen, dass die Sendung beendet war. Die Wise Guys sangen noch ein letztes Lied für die Zuschauer. Ich will keine a cappella begeisterte die Kinder, ebenso die haarlose Brust von Sari und seine Erklärung, dass er die Haare unter einem Mähdrescher verloren habe. Danach gingen die Wise Guys unter lauten Zugabe-Rufen ab, ein fest schlafendes Kind wurde von seinen Eltern aus dem Saal getragen und die Jungs kamen noch einmal zurück und sangen Golden Eye. Superklasse, auch ohne Nebel und geheimnisvolles Licht. Dän sagte freundlich, dass die Wise Guys danach ins Foyer kommen und allen Kindern, die das wollten, Autogramme geben würden. Er wußte nicht, was auf ihn zukam.

Der Saal leerte sich schnell und anscheinend blieben alle 600 Besucher im Foyer und warteten auf die Autogramme. Ich hatte sogar das Gefühl, dass noch 200 Leute von der Straße dazugekommen waren. So gestresst wie bei diesem Afterglow habe ich die Wise Guys noch nie gesehen. Also das, was ich von ihnen gesehen habe, denn nur ab und zu konnte man einen gebeugten Kopf mit gehetztem Gesichtsausdruck erkennen, der von unglaublich vielen hochgehaltenen Autogramm- und Eintrittskarten umgeben war. Total bedrängt hingen die Wise Guys mitten in einer Menschenmenge fest, von hinten wurde gedrückt und geschoben, besorgte Eltern quetschten sich durch und suchten ihre Kinder, und es war nicht schön. Schlimmer als vor Weihnachten auf der Hohe Strasse in Köln. Und es wurde nicht weniger. Es war der erste Afterglow, bei dem ich gegangen bin, ohne überhaupt in die Nähe eines Wise Guys zu kommen. Keine Chance und auch keine Lust.

Trotzdem war das Lilipuz-Konzert ein unerwartet schönes Erlebnis. Mal so ganz anders als sonst und auch unsere Kinder waren mit dem Tag sehr zufrieden und mussten uns nicht „zur Verantwortung ziehen“. Da hatten wir mal wieder Glück gehabt.

When I’m 64
Showtime
Mädchen, lach doch mal
Kaiser Franz
Techno
Jetzt ist Sommer
Rollbrett
Meine heiße Liebe
Schlag mich, baby
Die Frau hat Rhythmus
Root Beer Rag
Ich will keine A-cappella
Golden Eye