Wise Guys – 12.12.2001 – Feierabendhaus – Hürth … mit Würfeln und Dynamos
Das Feierabendhaus liegt am Rande von Köln im Industriegebiet Hürth-Knapsack und hat einen ganz eigenen, altmodischen Charme. Keine Ahnung, wann es gebaut wurde, aber zur damaligen Zeit galt es sicher als sehr futuristisch. Ich kann mir gut vorstellen, wie sich an vielen Abenden die Industriearbeiter mit ihren Frauen dort einfanden, um schick angezogen ein Konzert oder eine Boulevardkomödie zu genießen. Ringsherum Schornsteine, Fabrikgebäude, Röhren und Metallkonstruktionen, und dazwischen der festlich erleuchtete Rundbau. Mir gefällt es, weil es so vergangen aussieht, nach heiler Welt, nach Firmen, die sich um ihre Mitarbeiter kümmern, sich um deren Freizeitgestaltung bemühen und die Rentner zur jährlichen Mitarbeiter-Weihnachtsfeier einladen.
Ich war nicht schick angezogen, hatte keine Ahnung, ob ich jemals irgendeine Rente bekommen würde, saß aber trotzdem gutgelaunt im Feierabendhaus. Als das Saallicht ausging, gab es begeistertes Klatschen und die Wise Guys erschienen auf der Bühne. Die Showtime eröffnete den Abend und erhielt langen, kräftigen Applaus vom lockeren, gut gelaunten Publikum. Dän begrüßte die Zuschauer zu einem der letzten Konzerte im Jahr 2001 “… mit einer Träne im Knopfloch blicken wir jetzt schon auf den heutigen Abend zurück.” Das Frühlingslied ließ die Neuhörer beim ersten Refrain laut auflachen und außerdem verzückt auf Clemens’ Mimik schauen: “Kumma, wie der aussieht!” Danach ging es ohne Ansage mit dem griechischen Wein weiter, und als Konzert-Erstbesucher hätte man vermuten können, dass Clemens der Leadsänger der Wise Guys ist und Dän der Ansager.
Bei der Umfrage entdeckte Dän die schöne Deckenkonstruktion, weiße Vierecke mit eingestanzten, großen Punkten, die er sofort als „Würfel mit lauter Vieren” identifizierte. Auch seine Aufzählung “Dresden, Berlin, Leipzig, Hürth-Knapsack” erheiterte die Besucher sehr. Es waren etwa die Hälfte Neuhörer da, außerdem Hürther, Kölner, mehr als 150 km Angereiste und die obligatorischen Düsseldorfer. Eine schöne Mischung.
Das Leben ist zu kurz verblüffte mich mit neuer Choreographie. Also sehr viel war es nicht, aber am Anfang gingen die Köpfe sehr exakt hin und her und das paßte sehr gut. Seltsamerweise wurden die Zuschauerreaktionen bei den Philosoffen und Zur Lage der Nation etwas ruhiger. Es war immer noch gut und kam an, aber das habe ich von den Reaktionen her schon gewaltiger erlebt. Das arme Schwein war wieder wunderbar und ist inzwischen zu einem meiner Lieblingsstücke geworden. Große Klasse!
Das absolute Highlight des Abends war Oh, Scheiße. Superklasse und wirklich beeindruckend schön gesungen. Am Anfang wurde noch laut und amüsiert bei den manchmal sehr überraschenden Textzeilen gelacht, aber im Verlauf des Liedes wurde das Lachen immer leiser und von einer manchmal atemlosen Stille ersetzt. Es war einfach wunderschön und ein richtiges, echtes Liebeslied. Sehr berührend und glaubhaft, und die Witze darin störten mich schon fast. Sehr gut fand ich, dass die Wise Guys ganz ernsthaft weitersangen, auch wenn der Text ziemlich lustig wurde. Eigentlich sangen sie so, als ob auch der Text ein reines, ernsthaftes Liebeslied wäre und störten diesen Eindruck nicht durch irgendwelche Faxen. Ich wünsche mir, dass sie sich trauen auch mal ganz richtige Liebeslieder so zu singen, ohne den Rettungsanker der Witze auszuwerfen. Die ruhigen Balladen der Wise Guys haben mich immer sehr beeindruckt und ich finde, dass sie darin sehr stark sind und viel zu wenige davon singen.
Clemens startete die nächste Ansage, erzählte kurz, dass er vor dem Konzert durch einen Vorhangspalt geguckt hätte und fast vom Schlag getroffen wurde. Ups? Betroffene Stille breitete sich aus. Was wollte er damit sagen? Paßte ihm irgendetwas am Publikum nicht? Die Wise Guys stellten sich auf, begannen mit der Heißen Liebe, und als Clemens ein Mädel in der ersten Reihe ansang, konnte man richtig merken, wie die Erleichterung durch die Reihen zog. Ach, wie romantisch: Er hatte überraschend seine Freundin gesehen und sang sie nun an! Das dachten natürlich nur die Ersthörer, die dementsprechend lachen mussten, als sie das wahre Objekt seiner Begierde erkannten. Das Grinsen in den Gesichtern hielt an, denn die Show auf der Bühne war wieder mal total klasse. Um mich herum vor Lachen wackelnde Schultern und mitten im Lied sogar Extraapplaus als Sari seinen Tanz begann. Sehr witzig und eigentlich schade, dass Clemens am Ende des Liedes nur noch für den Text zu sorgen hatte, aber keiner mehr auf ihn guckte. Aber ich persönlich würde meine Blicke auch nur ungerne vom Backgroundchor abwenden, denn die Show ist einfach nur klasse!
Kurz vor der Pause hatte Dän richtig viel zu tun, alle Möglichkeiten der Pausenunterhaltung aufzuzählen. Er nannte es dann auch sehr passend den “kleinen Weihnachtsmarkt im Foyer”, denn neben dem Stand der ‘Elterninitiative herzkranker Kinder’, gab es den üblichen Artikelstand der Wise Guys und einen Stand der Sponsorfirma Toyota. Bei der Elterninitiative gab es die Klingelherzen, beim Artikelstand “das Songbook des Mannes mit der Beule” (Eddi), außerdem konnten dort die Karten für die Fankartei abgegeben werden, und bei Toyota konnten andere Karten mit einer Anforderung für Infomaterial in einen Kasten eingeworfen werden. “Das ist heute echt was für helle Köpfe”, betonte Dän und kündigte eine Kontrolle an, wer was wo eingeworfen hätte.
Mädchen lach doch mal war ein begeistert mitgeklatschtes Ende des ersten Konzertteiles und am Ende wurde lautstark applaudiert und gellend gepfiffen. Ich nutzte die Pause, um für jeden der Wise Guys eine Karte auszufüllen und in den Toyotakasten zu werfen. Nee. Spaß.
In ihren coolen, schwarzen Sachen kamen die Wise Guys zum zweiten Teil auf die Bühne zurück und wurden mit anerkennenden Pfiffen begrüßt. Sieht ja auch wirklich klasse aus, finde ich. Wenn sie tanzt war sehr schön ruhig und Däns manchmal leicht brüchige Stimme wunderbar. Ganz auffallend aber Ferenc’ Augen, die vom mittleren Scheinwerfer angeschienen, strahlend blau leuchteten. Alles zusammen sehr beeindruckend. Ich weiß jetzt auch nicht, ob es den starken Applaus danach für das Lied, Däns Stimme oder die blauen Augen gab, nehme aber mal an, dass er für die perfekte Kombination der Komponenten galt.
Muß ich eigentlich noch groß erwähnen, dass ich bei der Atmo-Ballade wieder die Eule war? Allerdings waren die Python-Grillen diesmal arm dran, denn Eddi machte dieses komplexe und sehr komplizierte Geräusch nur einmal vor und das war zu wenig. Die verschüchterten Grillen frp-ten etwas unsicher vor sich hin und als die Kröten sehr gewaltig loslegten, kommentierte Dän auch noch: “Da sehen die Pythongrillen alt aus!” Clemens, der mit gerollter Zunge noch viel blöder als Zungen-roll-Dän aussah, verhinderte so manches ordnungsgemäße Eulengeräusch, weil sich mit akutem Lachanfall die Zunge nicht rollen läßt. Sobald er den Einsatz geben wollte und mit stierem Blick und gerollter Zunge ins Publikum blickte, kippten die Zuschauer lachend nach vorne und konnten kaum noch.
Dän ermunterte die Gruppe der Leute, die keines der Geräusche machen konnten oder wollten, stattdessen mit viel Konzentration Nebel zu erzeugen. Während ich noch überlegte, auf was ich mich da konzentrieren sollte, hatte ich es schon geschafft und dicker, wallender Nebel kam auf die Bühne. Unglaublich, aber wahr! Leider hatte ich mich zu stark konzentriert und die Jungs verschwanden fast komplett aus dem Blickfeld. Aber es war ja mein erster Nebel. Unüblicherweise zog er dann aber nicht in den Hintergrund der Bühne, sondern wallte durch irgendwelche Thermik in den Zuschauerraum. Das war zwar ungeplant, aber ich fand es total klasse: Um mich herum echte Nebelfetzen, das Licht war grünlich und eher dunkel und mir wurde es schlagartig KALT! Nebel und Dunkelheit reichten, um mir das Gefühl zu geben, dass ich mich mitten in der Nacht im Wald befand und fror! Dabei wußte ich, dass ich im Feierabendhaus saß und den Nebel selbst gemacht hatte. Echt der Wahnsinn!
Wenige Sekunden später, ohne Nebel und mit hellerem Licht war mir sofort wieder gemütlich warm. Dafür husteten sich die Zuschauer den Nebel aus der Lunge und hielten sich die Nasen zu. Diesmal ‘eulte’ ich übrigens bei der Knapsacker Waldatmosphäre singend mit und bedauerte die zaghaften Grillen, die von Clemens mit einer entnervten Geste vorzeitig abgewunken wurden, weil er keine Chance sah, dass sie es jemals packen würden. Als Eddi am Ende des Applauses fälschlicherweise sagte, dass die Kröten ein wenig schwach gewesen wären, motzten die gleich los und Clemens zeigte nur stumm und verbittert auf die Grillen.
Die nächste Ansage war von Eddi, der eine Story vom Fahrradfahren in der Nacht brachte und die Unterschiede im Anbaggern mit der unterschiedlichen Art einen Fahrraddynamo zu betreiben verglich. Ahja. Klar war, dass Eddi einen lahmen Dynamo hat. Auf Saris Dynamo war ich entsprechend gespannt, aber Eddi rückte alle Erwartungen zurecht, indem er betonte, dass Saris Dynamo zu schwach sei. Schade, eigentlich. Die Anmachsprüche kamen aber sehr gut an, auch wenn die Damen eher lachend die Hände vor das Gesicht warfen, als auf die Bühne zu stürmen.
Bei When I’m 64 legte Ferenc los und war gar nicht so gewaltig wie sonst. Das lag nicht an ihm, sondern an der Technik, die ihn in diesem Moment etwas klein eingeschaltet hatte, und es war schade, denn das begeisterte “Booah!” aus dem Publikum blieb dadurch aus. Wahrscheinlich vergaß Ferenc darum auch, Dän den üblichen Magenschlag zu verpassen. Die Begeisterung des Publikum stieg auch nur langsam an und war erst bei Saris Einsatz richtig da. Am Ende gab es dann trotzdem erstaunlich viel Applaus, obwohl der Beginn leider nicht so klasse wie sonst war. Es ging sofort weiter mit Sensationell, das ich richtig toll und viel zu unterbewertet finde, und das immer noch daran arbeitet, einen schönen Schluss zu bekommen. Der derzeitige ist noch nicht besonders beeindruckend, aber immerhin ein eindeutig erkennbares Ende, das zwar überraschend kommt, aber akzeptabel ist.
Beim Root Beer Rag konnte ich mich, entgegen der Ansage, überhaupt nicht entspannen, zuckte sogar unwillkürlich mit und fand es ziemlich atemberaubend schnell. Nein, nein, nein löste Begeisterung und ziemlich haltloses Gelächter nicht nur beim ersten Refrain aus, und sehr beeindruckend war danach wieder mal Golden Eye, mit Edzard “Schramme” Hüneke. (Man sah Eddis Stirnverletzung aber kaum noch.) Es gab wieder Nebel, dabei hatte ich mich überhaupt nicht konzentriert, und die Wise Guys sahen wie blaue Wasserleichen aus, die mit den Füßen in sumpfigem Wasser standen, aus dem Nebelfetzen hochstiegen. Brrr! Eddi legte gewaltig los, und der Klang seiner Stimme ging schon echt an die Grenze. Zum Glück blieb sie gerade noch im ‘Das-ist-der-absolute-Wahnsinn!’-Bereich, aber etwas mehr und der Eindruck wäre schnell gekippt. Die hohen Töne drangen bis tief ins Ohr und lösten bewundernde “Booahs” aus. Auch das Licht wechselte perfekt und unterstütze die Bühnenshow damit sehr gut. Wirklich klasse!
Da es das letzte offizielle Lied war, verbeugten sich die Wise Guys danach unter lautem Jubel und Applaus und gingen ab. Natürlich wurde rhythmisch weitergeklatscht, sie schlidderten dynamisch über den glatten Bühnenboden zurück und brachten den Wunschtitel der Woche: Tekkno. Sehr laut, sehr gewaltig hämmernd und genau richtig. Nur zu kurz. Danach Jetzt ist Sommer, bei dem die meisten Zuschauer sofort aufstanden und mitklatschten, obwohl ich beim Mitsingen daran denken mußte, dass ich noch keine Weihnachtsgeschenke besorgt habe und unbedingt die Kugeln für den Weihnachtsbaum auf dem Speicher finden muß. Innerlich war ich auf Winter und Autoscheibefreikratzen eingestellt und wollte gar nicht ins dezemberliche Freibad. Oder wenn, dann mit Handschuhen.
Letztes Stück war Schlag mich, baby und mir war es richtig peinlich, dass schon wieder mein Nebel über die Bühne wallte. Und wieder so viel, dass die hocherotischen Bewegungen der Jungs kaum zu sehen waren. Anscheinend hatte ich es noch nicht im Griff. Ich bemühte mich aber, ihn verschwinden zu lassen, denn diesen Anblick wollte ich mir ja auf keinen Fall entgehen lassen. Auch die anderen Zuschauer freuten sich über die freie Sicht und am Ende gab es sehr viel Applaus und Gejohle.
Ein schönes Konzert, das den Besuchern gefallen hat, aber nicht so enthusiastische Reaktionen wie im letzten Jahr an gleicher Stelle auslöste. Ich habe lange überlegt warum, denn eigentlich waren Klang, Stimmung und Laune in Ordnung, aber das Spritzige fehlte ein wenig. Und wenn der entscheidende Extra-Funke von der Bühne nicht runterkommt, und auch nicht aus dem Publikum heraus gebildet wird, gibt es auch keine überschäumenden Reaktionen. So war es ein schönes, normales Konzert, das vielleicht von den Wise Guys aus ein wenig ruhiger war, weil es vorher schon so viele Termine gab, so wenig Freizeit und das Ende des Konzertjahres 2001 in Sicht ist.
Showtime
Frühlingslied
Griechischer Wein
Das Leben ist zu kurz
Philosoffen
Zur Lage der Nation
Armes Schwein
Oh Scheiße
Meine heiße Liebe
Mädchen lach doch mal
Wenn sie tanzt
Kaiser Franz
Willst du mit mir gehen
When I’m 64
Sensationell
Root Beer Rag
Nein, Nein, Nein
Golden Eye
Tekkno
Jetzt ist Sommer
Schlag mich, baby