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Wise Guys – Night of Voices – 2001

Mit Wise Guys, Ganz schön feist, Basta, Intermezzo
25.04.2001 – Philharmonie, Köln

‘Night of Voices’ in der Kölner Philharmonie – wow! Das hörte sich nach Luciano Pavarotti, José Carreras, Placido Domingo an. War aber nicht so. Stattdessen traten die vier A-cappella-Gruppen ‘Intermezzo’, ‘Basta’, ‘Ganz schön feist’ und ‘Wise Guys’ auf. Waren natürlich auch ‘Voices’, und da die Veranstaltung am Abend stattfand, konnte man es knapp als ‘Night’ bezeichnen, aber trotzdem fand ich den Titel nicht ganz passend. Die deutsche Übersetzung ‘Nacht der Stimmen’ wäre mir aber auch zu gruselig gewesen. Die Preise für die Karten in der Philharmonie entsprachen dann allerdings wieder ganz denen für die ‘Drei Tenöre’. Ich musste gewaltig schlucken, denn für den Preis einer Karte auf den hinteren Plätzen hätte ich mir woanders zweimal WISE GUYS von ganz vorne ansehen können.

Aber dafür bekam ich an diesem Abend ja auch eine ganze Menge Tenöre, Baritöne und Bässe geboten. Mein Vorwissen über die Gruppen war sehr unterschiedlich. Von ‘Intermezzo’ hatte ich noch nie etwas gehört, über ‘Ganz schön feist’ hatte ich gehört, dass sie sehr gut und witzig sein sollten, ‘Basta’ hatte ich einmal live erlebt und ‘Wise Guys’ konnte ich auswendig mitsingen. Für mich also eine Mischung von völlig unbekannt bis sehr vertraut. Je näher der Termin rückte, desto mehr freute ich mich darauf. Könnte doch ganz interessant werden, vier verschiedene Arten des A-cappella-Singens zu erleben. Die Philharmonie war ausverkauft und dem Publikum konnte man nicht ansehen, wer wegen welcher Gruppe gekommen war oder doch auf Pavarotti hoffte.

Es wurde ganz dunkel, vorsichtiger Applaus begann, der Applaus verebbte zögernd und es war immer noch dunkel. Nanu? Plötzlich gingen 4 Spots an und beleuchteten vier Herren in grauen Anzügen, die sich heimlich im großen Halbkreis auf der Bühne aufgestellt hatten. Das war Intermezzo aus Utrecht. Nacheinander setzten sie mit Du-Dus ein, bauten immer mehr dazu und das Publikum hörte aufmerksam zu. Sah sehr schön aus, wie sie dort fast unbeweglich im Scheinwerferlicht standen und neben ihnen nur die Lichter an der Wendeltreppe hell strahlten. Schließlich wurden Töne und Licht immer weiter reduziert und am Ende gab es nur noch ein leises ‘Du’.

In den Applaus hinein kam Cordula Stratmann, die an diesem Abend moderierte. Sie erklärte, dass die die Premiere einer Reihe weiterer “Night of Voices” sei, die in Zukunft in der Philharmonie stattfinden würden. Anschließend ließ sie für die Gäste auf der Bühne einen holländischen Satz los, der ihr viel Applaus einbrachte. Die “Intermezzo”-Sänger konnten dann aber deutsch, wie in ihren Ansagen zu merken war. Bei den klassischen Musiksachen erinnerten sie mich stark an die “King’s Singers”, auch wenn sie dabei nicht ganz so exakt waren. Leider war der Ton in der Philharmonie sehr hallig, so dass viele Textzeilen schwer oder auch gar nicht zu verstehen waren. Dafür hatte die Gruppe eine Dynamik von ganz sanft und leise bis erstaunlich gewaltig. Die Harmonien waren oft sehr klasse, manchmal aber auch so gewagt, dass ich mir nicht sicher war, ob es wirklich so geplant war.

Ihre Darbietungen waren extrem abwechslungsreich und reichten von Neandertaler-Gegrunze bis zu sehr schön jazzigen Klängen. Mit einem rauschenden Megaphon und zugehaltenen Nasen erreichten sie bei “Das ist die Liebe der Matrosen” einen täuschend echten Grammophonklang, der sogar bis zum Kratzer am Ende der Platte reichte. Und ein Lied, das mit abwechselndem Stöhnen und Seufzen begann, wurde zum ersten A-cappella-Orgasmus in der seriösen Philharmonie. Ich hatte nicht mal gewusst, dass man zu diesem Thema Arrangements schreiben kann. Am Ende ihres Vortrages hatten sie ein sehr zufriedenes Publikum, das sich mit langem Applaus und sogar einigen begeisterten Pfiffen meldete. Mir hatten nicht alle Stücke gefallen und ob das Gegrunze und Herumgehüpfe wirklich zum A-cappella-Gesang gehört, ist Auslegungssache.

Als nächste Gruppe wurde Basta aus Köln angesagt, die mit viel Applaus empfangen wurde. Auch diesmal wurde mit ‘Du Du’ gestartet, ging aber zum Lied der Biene Maja über. Gelächter beim Publikum, als die kleine Biene im Takt plattgetreten wurde. War musikalisch in Ordnung und ich konnte nicht meckern. Leider gab es auch bei ihnen sehr viel Hall, der es schwierig machte, die Akkorde im Background zu hören, und der die Textverständlichkeit teilweise beeinträchtigte. Ich fand, dass beim A-cappella-Singen einiges fehlte, aber das glichen sie durch die lustige Show aus. Und die hatten sie wirklich gut drauf. Herbert Grönemeyer, der “Er gehört zu mir” sang und auch eine Dean Martin-Parodie waren sehr witzig und brachten Stimmung. Dafür war dann das ruhige Lied “Lara” leider zu hektisch. “Satisfaction” mit der immer zu spät einsetzenden Blockflöte war überzeugend witzig und sie bekamen für ihre Gesamtshow verdient viel Applaus. Das Abschluss-Lied mit der “Bindungsangst” wurde im Männer- und Frauenteil vom Publikum mitgesungen, auch wenn sich nicht alle trauten. Dabei hätte man doch danach zu Hause angeben können: “Ich habe in der Philharmonie gesungen!” Insgesamt ein kurzweiliger, lustiger Auftritt. Es gab Standing Ovation, eine Zugabe, dann war Pause.

Weiter ging es danach mit Ganz schön feist, für mich die Überraschung des Abends. Die waren völlig anders, als ich gedacht hatte. Aus welchem Grund auch immer hatte ich ätzend coole Jungs mit flockig-lockeren Sprüchen erwartet, aber die waren ruhig und nett. Sie fingen auch damit an ‘Du-Du’ zu singen, und ich überlegte schon, ob das das Erkennungsmerkmal für A-cappella-Gruppen ist, aber diese Gruppe hatte bei manchen Liedern Instrumente und war damit eigentlich gar keine richtige A-cappella-Gruppe. Allerdings war es erstaunlich, wieviel Klang drei Leute auf der Bühne erzeugen können. Sie hatten keine aufwendigen Arrangements, sondern es gab eine Leadstimme und ganz wenig sparsamen Background. Trotzdem waren Fülle und ein richtig guter Groove da. Ich war gleich beim ersten Lied freudig erstaunt. Supergut! Außerdem hatten sie eindeutig die beste Tonabmischung. Der Schwerpunkt lag bei ihnen auf den sehr schön lässigen Texten, die kleine Geschichten erzählten. Der Sänger hatte eine wunderbar brüchige Stimme und schmeichelte watteweich ins Mikro. Alles war sehr sanft, sehr leise und wie ich fand, sehr schön. Grinsen musste ich nur, als der sanfte Sänger die Moderationen machte und dabei tatsächlich noch sanfter sprach.

Allerdings hatte der Gesang-Klang mit Gitarre und Schlagzeug zusammen nur noch wenig mit A-cappella zu tun. Trotzdem amüsierte ich mich sehr über Textzeilen wie: “Jetzt ist der Moment, wo du jemanden zum Reden brauchst – komm bitte nicht zu mir!” Klasse! Ganz romantisch und schön wurde ein Liebeslied gesungen, dessen zärtlicher Refrain: “Du willst immer nur ficken” (Kinder unter 12, und wer sich sonst an dem Wort stört, lesen bitte stattdessen: f*****.  Danke!) unterdrücktes, aber begeistertes Gekicher im philharmonischen Publikum auslöste. Trotz Aufforderung des Publikums wollte niemand laut mitsingen. Am Schluss gab es schönen Applaus, doch ich fand, dass es für die Leistung zu wenig war. Da hätte etwas mehr Gejohle drin sein müssen. “Ganz schön feist” hatte mit ausschließlich ruhigen Liedern das Publikum aufmerksam gehalten und mit wenig Aufwand, aber viel Dynamik ein supergutes Ergebnis erreicht.

Inzwischen war Cordula Stratmann wieder auf die Bühne gekommen. Eigentlich mag ich sie und ihre lustige Art gerne, aber an diesem Abend wirkte sie gezwungen und gebremst. Schade. Es wurde bei ihren Überleitungen kaum gelacht, aber ich hätte auch nicht gewusst wann. War einfach nicht witzig. Sie sagte als letzte Gruppe die Wise Guys an und ich freute mich sehr. Schließlich war ich nur wegen ihnen da. Sie kamen auf die Bühne, wurden mit ziemlich viel Applaus begrüßt und stellten sich auf. Nanu? Sie wollten doch wohl nicht mit “Schlag mich, Baby!” beginnen? Oh, das würde ich für ungünstig halten, denn das war doch eher ein augenzwinkerndes Lied für den Schluss, aber nicht ein ernsthaft dargebrachter Einstieg. Ach, wenn das doch nur das einzige Problem gewesen wäre!

Die Wise Guys begannen zu singen und bei den ersten Tönen erschrak ich total. Was waren das für dünne Stimmen? Alle drei Gruppen davor waren deutlich lauter und viel voluminöser gewesen. Ich saß völlig verschreckt auf meinem Stuhl und wartete auf eine Verbesserung, aber sie kam einfach nicht! Albtraum. Aaaaah – ich will aufwachen!! Der Gatte, der neben mir saß, schnaufte nervös und blickte zum Tonmischpult. Was war hier los? Es konnte doch nicht sein, dass die drei Gruppen davor das komplette Volumen verbraucht hatten und die Wise Guys jetzt mit dünnen Stimmchen da unten sangen?

Das zweite Lied waren die “Philosoffen”, aber auch da kam nichts rüber, außer dass es etwas hektisch gebracht wurde. Das konnte doch nicht wahr sein! Wenige Wochen zuvor hatte ich fast auf dem gleichen Platz ein Wise Guys Konzert erlebt und der Klang war supergut! Am heutigen Abend war überhaupt kein Volumen da, alles klang dünn, ohne Volumen und nur voller Höhen. Ein akustisch ganz starker, deutlicher Abfall zu den vorherigen Gruppen. Da konnte keine Stimmung im Publikum aufkommen. Auch die kleine Lichtshow wirkte im Halbdunkel des gedimmten Saallichtes nicht. Aber das Bühnenlicht war ja auch bei den anderen Gruppen nicht so klasse, und die Wise Guys waren normalerweise auch bei mieser Beleuchtung sehr gut.

Auch wenn Dän das Publikum doch noch mit seinen Ansagen zum Lachen brachte, wurde mir spätestens bei Clemens’ Paukennummer am Anfang von “Zur Lage der Nation” klar, dass aus diesem Auftritt nichts mehr werden konnte. Es war bei all seiner Anstrengung nur ein armseliges “Ffft, Ffft” als Paukenschlag zu hören. Viel, viel zu leise. Was war los mit dem Ton? Wieso füllten die drei Leute von “Ganz schön feist” auch ohne Instrumente die ganze Philharmonie mit Klang, während die fünf Wise Guys mit vollem Einsatz ganz mager blieben? Es war nicht zu fassen. Ich weiß nicht, WER bei diesem Auftritt WAS vergeigt hat, aber es ging gewaltig daneben. Warum reagierten die beiden Tonleute so gar nicht und saßen hinter dem Pult, als wäre alles in Ordnung?

„Schlag mich, Baby“ als Opener fand ich nicht gut gewählt, da wäre die “Anna” bestimmt besser gewesen, aber das allein kann es nicht gewesen sein. Die Wise Guys waren am Anfang viel zu schnell und hektisch, aber das wird vielen Leuten nicht mal aufgefallen sein. Das Publikum war es auch nicht schuld. Es gab zwar im mittleren Zuschauerraum auffallend viele Leute, die bei den Basta-Darbietungen begeistert vom Stuhl sprangen und frenetisch applaudierten, bei den anderen Gruppen aber demonstrativ teilnahmslos ruhig blieben und sich nicht mal am Begrüßungsapplaus beteiligten, aber trotzdem war der Großteil des Publikums freundlich, sehr interessiert und wäre zu begeistern gewesen.

Nach drei lauten, präsenten Gruppen plötzlich so wenig Volumen zu hören, war total schlimm. Es war ja nicht einfach nur zu leise, es war vor allem zu mager. Bei “Zu schön für diese Welt” müssen die Bässe knallen und der Rhythmus richtig abgehen. Wo war der Rhythmus? Es war nichts da und Ferenc’ Bass-Stimme war ein nettes, kleines ‘dum-dum’. Vom Publikum konnte bei allem guten Willen keine Begeisterung erwartet werden, denn das zu hörende Ergebnis war nicht begeisterungswürdig. Ich erlebte meinen ersten vergeigten Wise Guys Auftritt. Ein Erlebnis, das ich nicht so gerne nochmal haben möchte. Er gehört eigentlich in die Schublade ‘vorbei und vergessen’, aber ich weiß, dass ich nicht vergessen werde, wie mir die Kälte langsam den Rücken hochzog und bis in die Fingerspitzen kroch.

Das Publikum klatschte nach dem Auftritt trotzdem erstaunlich laut und die Wise Guys kamen zurück und sangen “Mädchen lach doch mal”. Es wurde im Refrain etwas mitgeklatscht, ein Zustand, der sonst nicht so gerne gesehen ist, an diesem Abend aber auch die Wise Guys auf der Bühne aufmunterte. Die Känguru-Trommeln von Sari und Eddi waren allerdings so unscheinbar, dass alle Wirkung verlorenging. Kleine Kindertrömmelchen, die kaum zu hören waren. Schade, schade, schade. Ich hoffte beim Abgang immer noch, dass mich jeden Augenblick der Wecker aus dieser Situation herausklingeln würde, ahnte aber, dass es die bittere Realität war.

Am Schluss kamen alle vier Gruppen auf die Bühne, es gab wieder Riesenjubel für den gesamten Abend und “Ganz schön feist” übernahm es, ein hübsches Abschiedslied zu singen.

Mein Fazit: Intermezzo kann ich immer noch nicht richtig einordnen, ich fand sie aber nicht beeindruckend. Basta hatte verdient viel Applaus vom Publikum für die sehr gute, lockere Gesamt-Show. Ganz schön feist hat mich völlig unerwartet sehr begeistert. Die Wise Guys h