WG Konzertberichte

Wise Guys – 26.10.2001 – H.G.-Halle – Bad Münstereifel … ohne Haselnusstorte

Das Konzert in dem netten Eifelstädtchen Bad Münstereifel brachte mich in einen schweren Konflikt. Eigentlich war ich auf dem Weg zur Heinz-Gerlach-Halle, um die Wise Guys zu hören, aber gleich am Rathaus gab es ein Café, in dem es nicht nur als Spezialität des Hauses Haselnusstorte gab, sondern auch einen singenden Hausherrn: Heino. Der blonde Volksliedsänger mit der tiefen Stimme, der dunklen Brille und seinen Erinnerungen an die schwarze Barbara war häufig selber in seinem Café und ließ sich sogar mit den strahlenden Besuchern fotografieren. Insider hatten mir einmal verraten, woran ich erkennen konnte, ob Heino vor Ort war: “Wenn der rote Porsche vor der Tür steht, isser da!” Was sollte ich machen, wenn an diesem Abend, auf dem Weg zum Wise Guys Konzert der Porsche dort stehen würde? Zu den Wise Guys gehen, oder kurzentschlossen abdriften? Wollte ich nicht immer flexibel sein und aufgeschlossen für Neues? Die Wise Guys kannte ich ebenso gut wie ihr Repertoire und Haselnusstorte gab es dort bestimmt nicht! Ich musste nicht lange überlegen, wo ich den Abend verbringen wollte: Ich ging zu den Wise Guys. Völlig unlogisch nach dieser Einleitung, aber so bin ich eben.

Ein leiser Zweifel beschlich mich, als ich in der langen Warteschlange vor der Heinz-Gerlach-Halle stand. Drei- bis vierhundert Leute standen vor mir, der Einlass verzögerte sich und es war empfindlich kalt. Jetzt doch lieber mit heißem Kaffee bei Haselnusstorte? Glücklicherweise gingen irgendwann die Türen auf und ich landete in einer sehr großen Turnhalle. An einer Breitseite war eine Bühne aufgebaut und davor standen im Halbrund ganz viele Stühle. Es sah aus wie auf einer Firmenversammlung, bei der gleich der Gewerkschaftsvertreter sprechen würde. Rings an den Wänden hingen große Werbeschilder ortsansässiger Betriebe und was erblickte ich da? Eine gezeichnete Werbung für das Rathaus-Café mit Heino, der einen Teller mit Torte in der Hand hielt. Da war er!

Die mehr als 600 Heinz-Gerlach-Turnhallen-Besucher klatschten freudig los als das Saallicht ausging und die Wise Guys auf die Bühne kamen. Neben mir informierte eine Frau ihre Bekannten: “Die sehen jetzt nach nix aus, aber die sind klasse!” Der Satz ließ mich noch längere Zeit sehr vergnügt lachen. Schon der Opener und das Frühlingslied zeigten, dass das Publikum aufmerksam, interessiert, aber doch sehr ruhig war. Zunächst hatte ich das Gefühl, dass der Applaus und das Gelächter vielleicht in der Weite des Raumes verhallen würde, aber die Zuschauer waren in ihren Reaktionen etwas zurückhaltend. Schade.

Die Philosoffen waren sehr gut gebracht. Eddi blickte am Anfang mit einem verschwörerischen Hey,-ich-muss-euch-was-erzählen!-Ausdruck ins Publikum und diese direkte Ansprache erregte hohe Aufmerksamkeit. Was hatte dieser junge Mann, der „nach nix aussah“ wohl zu berichten? Das Lied kam gut an, es wurde viel gekichert und am Ende auch gut applaudiert. Danach endlich wieder im Programm: Zur Lage der Nation. Dän ging mit ernsteren, sehr gut gewählten Worten auf das Thema Fremdenfeindlichkeit ein und mit dieser einleitenden Ansage konnte es keine Zweifel an der Tendenz des Liedes geben. Und dann legte er los. Nicht mehr mit der kindlich-ahnungslosen Stimme von früher, sondern wie ein unangenehmer deutscher Vereinsmeier, der eben vom Schützenfest kommt und mit voller Überzeugung seine Ansichten verkündet. Passte sehr gut! Beim letzten Refrain musste das Publikum reflexartig mitklatschen, und ich fand es schön, dass das Lied wieder da war.

Bleib wie du bist war mir persönlich etwas zu kraftvoll gesungen, aber das Publikum hörte ganz still zu und war beeindruckt. Danach Clemens’ Ansage zu Armes Schwein, bei der er richtig schön gehässig über die Rennfahrer-Schumachers herzog, ohne dass lautstarker Protest von Formel-1-Fans kam. Entweder gab es keine im Saal, oder sie waren still und leise, wie es für Bad Münstereifel typisch zu sein schien. Ich sah auf Dän, der ganz aufmerksam Clemens beobachtete und mit breitem, zufriedenen Grinsen auf dessen Moderation reagierte. Beim Witz über die polnischen Monteure platzte der Saal lachend los, nur ein Mensch vor mir empörte sich: “Das ist nicht witzig!” Beim ‘armen Schwein’, das mir sowieso gut gefällt, fand ich die Stelle, an der Dän und Clemens ihre gemeinen Einwürfe machen, wieder besonders gut gelungen.

Danach die Heiße Liebe, zu der sich Clemens anscheinend völlig fertig auf die Bühne schleppte. Allerdings machte ich kurz darauf große Augen, als er sich machohaft in den Schritt griff. Was sind denn das für neue Manieren? Zum Schieflachen. Clemens sang mit wunderbarer Stimme, Dän alberte sehr witzig herum, Sari flippte wieder total niedlich aus und alle Wise Guys sahen so gut gelaunt und von innen heraus lächelnd aus, dass es einfach nur Riesenspaß machte, auf die Bühne zu gucken. Bei dem Lied stimmte einfach alles! Es gab auch endlich mal viel Beifall, laute Pfiffe und einen sehr langen Applaus.

Beim Hinweis auf den Artikelstand konnte Dän dann witzigerweise für “heimische Produkte” werben, denn die CDs ‘Alles im grünen Bereich’ und ‘Skandal’ waren in Bad Münstereifel im Tonstudio von Hannes Schöner aufgenommen worden. Mit Mädchen lach doch mal, bei dem heftig mitgeklatscht wurde, ging der erste Teil zu Ende und die Wise Guys verschwanden unter dem Gepfeife und Getrampel des Publikums hinter den Vorhang. Die Frau neben mir strahlte ihre Bekannten an: “Na, sind die toll?” und die nickten begeistert und zustimmend.

Nach der Pause musste Wenn sie tanzt leider unter dem Gemurmel des Publikums begonnen werden, aber es wurde doch schnell leise. Wunderschön ruhig von Dän gesungen, aber mir waren die Stimmen beim “Aaaahaaahaaaaaa” jedesmal viel zu laut und kräftig. Ich überlegte, ob das gewollt war und etwas aussagen sollte. Aber was? Für mich wirkte es eher wie ein Wecker in diesem verträumten Lied.

Bei der ‘Atmo-Ballade’ Kaiser Franz wurde es für die Python-Grillen höchstkompliziert, weil Eddi ein Doppelgeräusch mit integrierter Kopfbewegung vorführte. Von links nach rechts hieß es pff-t-t-t-t-t-t-t-t und zurück pfrrrrrrrrrrrr. Das linke Saaldrittel schaffte die akustische Aufgabe sehr gut. Bei Saris vorgeführter Kröte mussten die Zuschauer so lachen, dass er selber einen Lachanfall bekam und das Geräusch zum zweiten Mal nur mit Verzögerung starten konnte. Ich hatte in der Saalmitte (nach meiner einzigen Sternstunde als Grille in Frechen) mal wieder die Eule. Ich kann doch meine Zunge nicht rollen, also musste ich die Eule verbotenerweise singen. Aber da es im Saal dunkel war und mich keiner sehen konnte, wird diese beschämende Tatsache wohl nie herauskommen. Dän und Clemens sahen mit gerollten Zungen äußerst blöde aus, und hinter mir bekam eine Frau einen Lachanfall und prustete: “Kumma, wie der aussieht!” Ich weiß nicht, wen sie meinte, aber es passte auf beide. Das Lied war akustisch und optisch ein Leckerbissen. Im dichten grünen Nebel waren die Wise Guys zunächst nur schemenhaft zu erkennen, außer Clemens, der mit seinen Handbewegungen den Nebel in kringelige Bewegungen versetzte. Warum es die Textänderung “Lasst mich durch, ich bin Chirurg!” gab, wusste ich allerdings nicht. 

Bei Willst du mit mir gehn musste sich das Publikum anscheinend erst wieder von den Walderlebnissen erholen und blieb unerwartet ruhig. Es gab nur zurückhaltende Reaktionen auf die Anmachsprüche, und Saris aufreizender Hüftschwung brachte nur wenig Damen zum Johlen. Eine davon war natürlich ich. Dafür wieder allgemeiner Jubel bei When I’m 64 und ein anschließendes Sensationell, das neben einem ungewöhnlichen Schluss auch einen ungewohnten Anfang hatte. Die Wise Guys wollten ohne Ansage sofort lossingen, aber Saris Stimmpfeife war verstopft und tat nichts. Er musste sie erst grinsend freiklopfen und erneut reinpusten. Das Lied war dann bis zum Schluss (was man so Schluss nennt) klasse, aber dann …! Dän quatschte am Ende gleich rein, erklärte, dass sie bei diesem Lied die Moderation hinterher machen würden und da er immer weiterredete, hörte das Publikum freundlich zu und es gab keinen Applaus! Überhaupt keinen. Irgendwann war es dann zu spät. Na, super hingekriegt! Tolle Idee! Ich fiel vor Lachen fast vom Stuhl. Ein tolles Lied und überhaupt keinen Beifall dafür. Jungs, da müsst ihr euch noch was überlegen! Vielleicht nehmt ihr es besser als letztes Lied vor der Pause und geht singend ab, bis ihr nicht mehr zu hören seid.

„Peter Brück“, der sich „Osna“ nannte, brachte die Leute um mich herum zu so fassungslosem Lachen, dass sie in ihren Stühlen wackelnd zur Seite oder nach vorne sackten. Sehr schön. Mit sehr schnellem Tempo ging der Root Beer Rag los und die Zuschauer reagierten am Ende mit Getrampel und lautem Jubel. Bad Münstereifel flippte sozusagen aus. Lachanfälle auch, als Reinhard vom Ton als „Laie am Mischpult“ vorgestellt wurde, der zur Kur in Bad Münstereifel weilte und ansonsten beim Berliner Innenministerium für die Öffnung anonymer Briefumschläge zuständig sei. Sehr schön und brisant aktuell.

Ganz besonders gut war Golden Eye. Bei der Ansage lachte ein Teil des Publikums, als es hörte, dass Eddi Tina Turner wird, aber die hatten noch keine Ahnung. Es gab ein bisschen viel Bodennebel, der schon sehr nach einem Schwelbrand unter dem Bühnenboden aussah, aber Licht, Ton und Stimmen waren supergut. Ich liebe es, wie ernsthaft Eddi seine Rolle lebt, aber an diesem Abend war das ganze Lied von vorne bis hinten perfekt. Einfach alles, es gab nichts zu verbessern und ich war begeistert.

Auf die lauten Zugaberufe des Publikums reagierten die Wise Guys mit Griechischer Wein, bei dem Clemens sich wieder schauspielerisch sehr gut ausleben konnte. Die Bad Münstereifeler waren inzwischen doch sehr aus sich herausgegangen, trampelten begeistert und brüllten nach Zugaben. Beim anschließenden Jetzt ist Sommer aufzustehen, war allerdings etwas viel von ihnen verlangt. Sie groovten ein wenig im Sitzen mit und nur zwei mutige Zuschauer standen auf und wiegten sich rhythmisch hin und her. Erst beim anschließenden Applaus gab es Standing Ovation von allen.

Letzte Zugabe war Schlag mich, baby, und ich weiß nicht, warum manche Leute so hämisch über Boygroups reden. Wenn das, was die Wise Guys da machen, boygroupmäßig ist, dann möchte ich mehr davon! Aus den ersten Reihen flogen kleine Stofftiere auf die Bühne und lagen stolpergefährlich zwischen den tanzenden Füßen auf dem Boden. Ferenc stolperte fast und kam kurzzeitig aus dem Takt, und ein tierischer Nachzügler sauste haarscharf an Saris Gesicht vorbei und knallte gegen Dän. Es gab viel Gelächter, am Ende viel Applaus, Ferenc drohte in die erste Reihe: ”Wir sprechen uns gleich nochmal!” und Dän sammelte die Tiere ein. Nochmal Standing Ovation, dann verschwanden die Wise Guys, das Licht in der Turnhalle ging an und die Zuschauer standen auf und drängten sich zum Ausgang.
Es gab noch einen Afterglow mit richtigen Getränken, einigen Autogrammen und einem letzten Blick auf den dreißigjährigen Dän, der auf dem Nachhauseweg in seinen Geburtstag hineinfuhr. Hier eines der letzten Bilder von ihm mit 30:

Ab jetzt älter, reifer und gesetzter? Hoffentlich nicht!

 
Opener
Frühlingslied
Philosoffen
Zur Lage der Nation
Bleib wie du bist
Armes Schwein
Meine heiße Liebe
Mädchen lach doch mal

Wenn sie tanzt
Kaiser Franz
Willst du mit mir gehn
When I’m 64
Sensationell
Root Beer Rag
Golden Eys
Griechischer Wein
Jetzt ist Sommer
Schlag mich, baby