Wise Guys – 19.10.2001 – Stadtsaal – Frechen … ohne Stühle
Dass der Abend anders als sonst ausfallen würde, war beim ersten Blick in den Saal klar: Es gab keine Stühle. Eine tolle Überraschung, die aber nicht bei allen Besuchern Freude auslöste, da die Eintrittskarten und Plakate mit keinem Wort darauf eingegangen waren. Nun ja, es gab Sitzplätze auf den oberen Balkonen, aber zu wenig für die vielen Besucher, die ein Konzert am Freitagabend gerne gemütlich und bequem erlebt hätten. “40 DM – und dann nicht mal einen Stuhl!”, lautete der häufigste, empörte Kommentar. Einige Besucher hatten sogar ihre Karte zurückgegeben und auch ich fand, dass ein fast unbestuhltes Konzert vorher auch als Stehplatz-Konzert angekündigt werden musste. Trotzdem war die Stimmung bei den Zuschauern sehr gut, bei den meisten aber nicht WEIL es Stehplätze gab, sondern TROTZ der Stehplätze.
Als das Licht ausging, gab es lautes, begeistertes Geschrei und ich erinnerte mich, dass das Konzert in Frechen im letzten Jahr auch schon durch sehr gutes, lach- und applaudierfreudiges Publikum aufgefallen war. Die Wise Guys lächelten über den freudigen Empfang und warteten, bis es leise wurde. Der Applaus hörte auf, nicht aber die Unterhaltungen in den hinteren Reihen. Unterhaltungen im hinteren Zuschauerbereich waren typisch für Stehkonzerte. In dieses Stimmengewirr hinein starteten sie dann mit dem Opener und auch wenn einige Besucher ihre Unterhaltung leider noch weiterführen mussten, setzte in den vorderen Reihen schon begeistertes Klatschen auf 1 und 3 ein.
Ich saß(!) auf dem Balkon und grinste. Das war echtes Boygroup-Feeling. Auf der Bühne die lässig gekleideten Jungs, die gerade bei der ‘Opener-Autoszene’ herumsprangen, davor dichtgedrängte Fans, die begeistert mitklatschten und dazu die gute Stimmung – klasse! Witzigerweise war das Stehpublikum fast nach Alter geordnet. Vorne sehr jung, dann nach hinten immer älter werdend. Es gab natürlich Ausnahmen, aber im Durchschnitt stimmte das schon. Die hinteren Zuschauer hatten sich inzwischen ganz schlau einige Tische organisiert, auf denen sie sitzend auf die Bühne blicken konnten. Dän begrüßte das Frechener Publikum, freute sich grinsend über die “Standing Ovation beim ersten Lied” und tröstete: “Wir stehen auch den ganzen Abend”. Allerdings waren die Wise Guys von den fehlenden Stühlen genauso überrascht worden, wie die Besucher. Dän erklärte, dass er Leute, die bei Konzerten stehen, grundsätzlich duzen und versuchen würde, das den ganzen Abend über beizubehalten. Das galt allerdings nicht für die Leute auf den Balkonen, die von ihm gesiezt wurden.
Das Frühlingslied startete und die Refrainzeile “Anna hat Migräne”, wurde gleich beim ersten Mal von einem Teil des Publikums laut mitgesungen. Als es zum zweiten Mal in den Refrain ging, gab Clemens nur noch den Einsatz und hörte staunend und grinsend zu, wie die Zeile sofort laut von einem großen Chor gesungen wurde. Beeindruckend und gänsehautmachend. Es wurde trotz der guten Textsicherheit des Publikums noch von vielen Zuschauern erstaunt gelacht und die sofort anschließende Umfrage zeigte, dass etwa die Hälfte der Besucher Ersttäter waren.
Dän stolperte danach über seine Du-Ansprache. “Meine Damen und Herren … nein, diese Ansage kann ich ja auch nicht nehmen, wenn ich euch duze. Meine Damen und Herren, das nächste Lied ist für euch.” Es folgte Das Leben ist zu kurz, begleitet von heftigem Mitklatschen und danach die Philosoffen, bei denen das Publikum wieder den Refrain mitsang. Irgendwie war es wie auf einer großen Party und anders als sonst. Sehr locker, und die Freude des Publikums ging zur Bühne und kam noch freudiger zurück. Auch der Griechische Wein war witzig, denn jede Aktion der Wise Guys bekam eine lachende Reaktion und so war die Laune auf beiden Seiten sehr gut. Es machte einfach Spaß.
Zu Bleib wie du bist schreib ich jetzt nicht viel, denn da schmelze ich ja immer hin, weil ich es einfach superschön finde. Danach eine Ansage von Clemens und es wurde richtig spannend. Er zog lässig über die Formel-1-Schumachers her und sofort kamen die ersten empörten Buh-Reaktionen von Schumi-Fans aus dem Saal. Clemens stockte sofort und Dän, der hinter ihm stand und alles sehr genau beobachtete, grinste breit und guckte gespannt zu, wie Clemens da wieder raus kam. Dem fiel plötzlich auf, dass Frechen ganz nah an Kerpen lag und er schluckte: “Oh, ich muss mit der Ansage aufpassen.” Dann machte er noch einen Witz über polnische Mechaniker, der nicht ganz politisch korrekt war, und während Eddi und Dän ihn etwas verwundert angrinsten, platzte das Publikum laut los. Sehr lustig, und ich finde, dass Clemens, dessen Ansagen früher manchmal etwas lang gerieten, inzwischen sehr witzig und kurzweilig spricht. Es folgte Armes Schwein, und mir kamen die kleinen, gemeinen Einwürfe von Clemens und Dän jetzt kräftiger vor. Sehr gut! Ein schöner Kontrast zu Eddis Gesang auf der anderen Seite.
Bei der Heißen Liebe gab es begeistertes Gejohle und das stehende Publikum kam sofort in südamerikanische Schwingungen. Clemens wechselte sein Ansingopfer wieder nicht und ich glaube er hat keine Ahnung, wie stressig das für ein armes Opfer sein kann. Will er Ohnmachtsanfälle und Weinkrämpfe auslösen oder reichen ihm die massiven Schweißausbrüche? Zwischendurch gab es wieder laute Refrain-Mitsingstellen und Sari klaute am Schluss mit supererotischer, weltentrückter Tanzeinlage die ganze Show. Alles sehr gut und die Stimmung stieg immer weiter.
Die Ansage zum Besserwisser übernahm Eddi selbst und kam so um die peinliche Erwähnung seines ‘Kasimir-Fehlers’ herum, den Dän sonst gerne anbrachte. (Als kurzzeitig studierter Theologe hatte Eddi die heiligen drei Könige mit „Kaspar, Melchior und Kasimir“ benannt.) Dän machte die letzte Ansage vor der Pause und wies auf die Total-Nacht für hartgesottene Fans hin, bei der die Wise Guys von 19 bis 1 Uhr singen würden. Der Hinweis, dass das Totalnacht-Konzert bestuhlt sei, gab lautes Gelächter und Applaus. Mädchen lach doch mal brachte am Ende Gejohle und einige Stofftiere, die auf die Bühne geworfen wurden. Sehr nett die Szene, als Ferenc eines der Tiere genauer betrachtete und mit großen Augen ein Kamel ansah, das mit großen Augen zurückblickte.
Trotz der guten Laune während des Konzertes gab es in der Pause unmutige Stimmen und Gemecker wegen der fehlenden Stühle. Außer natürlich bei den Leuten in den ersten 10 Reihen. Einige Leute, denen das Konzert eigentlich gut gefiel, sagten, dass sie nicht gekommen wären, wenn sie gewusst hätten, dass es keine Stühle gab. War aus Sicht des Verantwortlichen vielleicht doch ganz gut, dass es vorher nicht auf den Eintrittskarten stand. War aber trotzdem blöd.
Nach der Pause gab es zunächst Beifall, leider blieb es aber wieder sehr unruhig und die Wise Guys mussten mit Wenn sie tanzt in das Stimmengemurmel hinein starten. Schade. Dän hatte wegen einer Erkältung eine wunderschön leicht rauhe Stimme und es gab eine ganz verträumte Stimmung. Sehr schön lang gebundene Textzeilen, die ganz ruhig waren und dazu das Anschwellen des Backgroundchores … hach, zum Hinschmelzen.
Die folgende ‘Atmo-Ballade’ Kaiser Franz änderte die Stimmung sofort wieder in lautes Gelächter. Die erforderlichen Waldgeräusche wurden vorgemacht und jeweils ein Teil der Zuschauer übte sie ein. Die Leute auf den Balkonen waren die ‘Python-Grillen’, aber was für welche! Dän guckte sehr erstaunt und sagte dann beeindruckt: “Das klingt SEHR, SEHR gut! Einfach perfekt.” (Erwähnte ich schon, dass ich auch auf dem Balkon saß und mir die Pythongrille, ganz im Gegensatz zur Waldeule, sehr liegt?) Die rechte Saalhälfte wurde kurz zurechtgewiesen: “Zuhören! Sonst gibt’s nachher wieder Fragen!”, und wurde auf die Waldkröte trainiert. Das Ergebnis ließ Dän den Kopf schief legen und zögernd sagen: “Vom Ton her sehr schön. Es darf aber nicht zu lang werden, sonst ist es ein Rasenmäher.” Die Eulen aus der linken Seite waren zum größten Teil gesungen und bekamen als Kommentar: “Naja. Viele Eulen und eine Flasche dabei.”
Unter viel Gelächter begann dann das Lied und die Zuschauer machten eifrig mit. Auf der Bühne gab es schönes Licht und unheimlichen, grünen Bodennebel. Die Kinder, die auf dem Bühnenrand saßen, hielten sich die Nase zu, riefen angewidert “Uarg!” und versuchten den wallenden Nebel mit der freien Hand zu fangen. Es gab fröhliche Reaktionen auf verschiedene Textzeilen, lautes Gelächter und am Schluss begeistert applaudierende Kröten, Eulen und Pythongrillen. Und Dän lobte noch einmal die hervorragende akustische Publikumsleistung.
Bei Saris Willst du mit mir gehn kippten die Frauen reihenweise um und sein Extra-Hüftschwung am Ende bekam besinnungsloses Gekreische. Wow! Als Ferenc in der folgenden Moderation vorgestellt wurde und großen Jubel erhielt, drängte sich Sari schnell mit einem weiteren Hüftschwung in den Vordergrund und das Gekreische für ihn ging erneut los. Sehr witzig! Das könnte man ausbauen.
When I’m 64 war natürlich wieder der Wahnsinn. Vorapplaus, Zwischenapplaus, Endapplaus – erfolgreicher ging es nicht. Danach Sensationell, bei dem die Zuschauer nur auf 2 und 4 klatschen konnten, weil das schon im Rhythmus drinsteckte. Ich bewunderte wieder mal den ganzen Aufbau des Liedes. Besonders Eddi hat ja eine Menge witziger Zwischeneinwürfe zu singen, aber auch was sonst noch so vorkommt, ist beim ersten Hören nicht alles zu bemerken und entzückt mich wirklich. Ein sensationell gutes Lied, aber das habe ich ja schon öfter gesagt. Auch der Schluss war diesmal schon fast wie ein richtiger Schluss. Eddi sang ein letztes Mal “Nur dein Freund …”, ergänzte sprechend: “… ist’n totaler Schwachkopf”, und Dän stimmte zu: “Ganz genau.” Dann war Stille, die Wise Guys blieben ganz ruhig stehen und es war allen Zuschauern klar, dass das Lied aus war. Noch nicht sensationell gut, aber ein besseres Ende als alles, was ich bis dahin mitbekommen hatte.
Vor dem Root Beer Rag erzählte Dän die Story von den anstrengenden Abenden im Hotel mit den Groupies und die vielen Kindern vor der Bühne hörten ganz ernst und aufmerksam zu. Leider hob keines den Finger und fragte ihn, was das Wort zu bedeuten habe. Am Ende des Liedes fiel Eddi die Brille mit Schwung aus dem Gesicht, knallte auf seine Hand und war kaputt. Ohne weitere Ansage ging es sofort in die Aufstellung von Golden Eye. Sehr beeindruckend der Moment, als die Wise Guys aus der ruhigen Grundposition mit grün-blauen Licht heraus traten und dann plötzlich stark rot angestrahlt waren. Das verstärkte den plötzlichen Eindruck der Bewegung. Überhaupt war das Licht an diesem Abend ziemlich gut. Obwohl es gar nicht so viele Möglichkeiten gab, wurden diese voll ausgenutzt und es war immer sehr angenehm und auch abwechslungsreich beleuchtet. An meiner Lieblingsstelle, wenn Dän von Ferenc’ Schuss getroffen wird (bitte jetzt keine Vermutungen, warum ich es mag, wenn Dän erschossen wird. Ich warte nämlich nur auf die Szene danach, wenn er das Geschoss so schön lässig aus der Brust zieht) … an dieser netten Stelle also, wurde Dän wie immer zuverlässig getroffen, griff sich an die Brust und zog mit gespielt verwundertem Blick ein weißes Stoffhäschen aus der Jacke hervor. Der Hase war getroffen und hatte die Kugel von Dän abgehalten. Ferenc krümmte sich lachend zusammen und der Kontrast vom albernen Geschehen im Hintergrund und der Ernsthaftigkeit von Eddis Gesang war sehr schön.
Während der nächsten Anmoderation bastelte Eddi seine Brille wieder zusammen. Nein, nein, nein wurde besonders von den Kindern laut mitgesungen und das Mitklatschen war nicht zu stoppen. Im Anschluss an das Lied gab es schrilles Pfeifen und einen sofort einsetzenden, lauten Zugabe-Chor. Probier’s mal mit ‘nem Bass war der Hammer, und kurz vor dem tiefen Endton gab es schon so viel Applaus, dass Ferenc in den Lärm hinein singen musste, weil es unmöglich war, nochmal kurz Ruhe in den Saal zu bekommen. Ein erneuter Abgang und es kam Jetzt ist Sommer. Für Mitte Oktober aussagemäßig eigentlich nicht mehr passend, da es aber ein extrem warmer Oktober war und tagsüber T-Shirts angebracht waren, konnten die Zuschauer aus voller Überzeugung mitmachen.
Als grandiosen Abschluss gab es Schlag mich, baby, und ich saß auf meinem Balkon und merkte selbst, dass ich mein debilstes Grinsen draufhatte. Na, war ja dunkel. Großer Schlussapplaus und es ging zum Afterglow, mit Getränken, Frikadellen und Kartoffelsalat. Zunächst war sehr viel los, aber nach und nach zogen die glücklichen Autogrammbesitzer ab, es wurde leerer und am Schluss konnten auch die Wise Guys sehr zufrieden nach Hause gehen. Es war ein supertoller Abend in Frechen mit einem sehr gut gelaunten Publikum, das meiner Meinung nach auf Stühlen aber nicht weniger Stimmung gehabt hätte. Die Freude der Zuhörer trug die Wise Guys durch den Abend und es war wie eine große, fröhliche Party. Spitzenklasse und mit einem Gefühl, das an das Tanzbrunnenkonzert oder auch den Abend in der Alten Oper in Frankfurt erinnerte.
Opener
Frühlingslied
Das Leben ist zu kurz
Philosoffen
Griechischer Wein
Bleib wie du bist
Armes Schwein
Meine heiße Liebe
besserwisser
Mädchen, lach doch mal
Wenn sie tanzt
Kaiser Franz
Willst du mit mir gehn
When I’m 64
Sensationell
Root Beer Rag
Golden Eye
Nein, nein, nein
Probiers mal mit nem Bass
Jetzt ist Sommer
Schlag mich, baby