Wise Guys – 30.08.2001 – Gymnasium – Köln-Zündorf … mit Tombola
Dass mir der Abend gefallen würde, war klar. Nach fast drei Monaten ohne Konzert war ich total kritiklos und ein willenloser Fan, der dankbar war, dass er überhaupt dabei war. Dafür hatte ich eine Bus- und Bahnanreise von fast zwei Stunden auf mich genommen und mich danach noch eineinhalb Stunden vor die Eingangstüre der Zündorfer Aula gestellt. Total bekloppt, ich weiß, aber ich wollte gerne irgendwo in Reihe 5-10 sitzen und dafür muss man bei freier Platzwahl früh da sein.
Als die Tür um 10 nach 7 endlich aufging, stand eine riesengroße Menschenmenge hinter mir. Beim Eintreten in die Aula trübte sich die Freude über den vorderen Anstellplatz allerdings, denn der andere Eingang, der offiziell kein Eingang sein sollte, war früher geöffnet worden und darum saßen schon einige Leute auf den Plätzen. Prima! Ich liebe gut organisierte Abläufe. Netter Nebeneffekt: Die Wise Guys, die den Eingang, der offiziell keiner war, im Blick hatten, dachten zunächst, es wäre nicht viel los. Na, ich fand noch einen netten Platz im vorderen Bereich und war froh darüber, denn die Aula reichte sehr weit nach hinten. 900 Leute passten rein und für die Tiefe des Raumes war die Bühne verhältnismäßig klein. Sie bestand zum größten Teil aus schwarzen Vorhängen, die rechts und links weiträumig drapiert waren, und der Blick von den Randplätzen war ziemlich schlecht.
Der Vorsitzende des Schulvereins betrat die Bühne und wies auf eine Tombola hin, bei der „Devotionalien der Wise Guys“ gewonnen werden konnten. Hauptpreis eine alte Stimmpfeife, außerdem signierte Bilder, und als Trostpreise Sekt. Dann ging’s los. Die Wise Guys kamen schwungvoll auf die Bühne, trugen sommerliche Kleidung und hatten eine Urlauber-Gesichtsfarbe. Passend dazu sangen sie Jetzt ist Sommer und das Publikum klatschte im ersten Refrain etwas zögerlich auf die Eins und die Drei mit, im zweiten Refrain traten schon einige zur Zwei-und-Vier-Fraktion über. Am Ende des Liedes gab es lauten Applaus und erstes Geschrei. Trotzdem fand ich, es war nicht der ideale Opener für ein Konzert, denn bis das Publikum in Schwung kam, war das Lied schon fast vorbei. Man braucht als Zuschauer da doch was zum Zuhören, Kennenlernen und vielleicht auch Lachen, aber noch nichts zum Mitmachen. (Der ideale Opener heißt übrigens “Showtime” und ist noch in der Übungsphase.)
Dän begrüßte die Anwesenden zum ersten Konzert nach der Sommerpause und erzählte, dass die Veranstalterin eben noch gefragt hatte, ob sie sich nicht langsam umziehen wollten. “Das ist unser Bühnenoutfit” hatten sie geantwortet und er ergänzte grinsend: “Gefällt wohl nicht jedem.” Es ging weiter mit dem Frühlingslied, das sehr gut ankam und Gekicher und Gelächter auslöste. Der Klang war an diesem Abend etwas hallig, aber nicht schlecht. Die Aula war nun mal sehr groß. Keine idealen Verhältnisse.
In der nächsten Ansage machte Dän eine kurze Bemerkung über BAP, erntete Gelächter, sagte danach kurz etwas über PUR und es blieb auffällig still. Da saßen wohl doch eine ganze Menge PUR-Fans im Publikum. Es kam das RTL-Lied, und ich finde es immer wieder faszinierend, wie ein Großteil des Publikums auf die Bühne guckt, zusieht wie die Wise Guys alle auf 2 und 4 klatschen und trotzdem konsequent dagegen schlägt. Dafür bekamen sie nachher auch von Dän gleich verbal eins drübergezogen. Das Leben ist zu kurz kam locker leicht und war klasse. Mir ging spontan die Textzeile durch den Kopf “Das Leben ist zu kurz für eine Therapie”, aber da ich keinen Reim auf -pie fand, außer ‘Knie’ und ‘nie’, ließ ich es dabei.
Dän erzählte von neuen Choreographie-Erkenntnissen, die ihn sehr beeindruckt hatten. „Der Mut zu großen Gesten“ und „Gesten einfach halten“ demonstrierte er eindrucksvoll, indem er einen Arm weit von sich streckte und ihn dort hielt. Allerdings war er immer noch auf der Suche nach dem Inhalt und dem Sinn der Geste, wie er erläuterte. Inzwischen knöpfte Clemens schonmal den obersten Knopf seiner Jacke zu, damit er für das folgende Lied so richtig schön blöd aussah. Zur Lage der Nation war dran, und er sah mit seiner Mimik und den hervorquellenden Augen so überzeugend dumpf aus, dass er von mir den 1. Preis für dumpfes Deutschtum bekam. Allerdings holte Dän im zweiten Teil gewaltig auf. Nach dem Lied knöpfte Clemens seine Jacke wieder auf und sah so verswchwitzt und feucht aus, wie frisch aus der Dusche. Es gab viel Applaus.
Danach die Philosoffen, bei denen es vergnügtes Gelächter gab. Das Lied hat inzwischen einen schönen Erzählcharakter. Das Tempo ist nicht zu schnell und als Zuschauer hört man aufmerksam zu, was einem dort vorgetragen wird. Eddi hatte einen Texthänger und statt „hackestrunzedicht“ nuschelte er etwas vor sich hin, aus dem ich zu meinem größten Vergnügen „nackig und nicht ganz dicht“ verstand. Hat er aber sicher gar nicht gesagt. Der Swingteil war richtig gut – dieses Lied hat es einfach!
Danach eines der Highlights, als Eddi Ohne dich sang. Booh, ey! Er sang es ungeheuer kraftvoll, brüllte manche Sachen fast raus und machte vollen Druck. Klasse! Sein lautes, heftiges Atemholen verstärkte den Eindruck eines Mannes, der voll mit Wut und Trauer ist. Das Lied finde ich immer toll, aber so gut habe ich es noch nie gehört. Wirklich extrem beeindruckend! Großes Lob!
Dän versuchte Sinn in eine große Geste zu bringen, sein Satz “Ein Licht am Ende des Grases” zeigte aber eindeutig, dass er damit noch überfordert war. Jedesmal wenn er den Arm zur ‘großen Geste’ hob, gab es aber sofort Gelächter im Publikum, ohne dass er noch was dazu sagen musste. Bei der Heißen Liebe nutzte Ferenc die Chance und hob Däns Arm, was im Publikum große Heiterkeit auslöste und ihm einen strafenden Blick von Dän einbrachte, der wiederum mit weiterem Gelächter kommentiert wurde. Sehr lustig, diese wiederkehrenden Einlagen, bei denen im Verlauf eines Abends Andeutungen ausreichen, um gute Laune zu erzeugen. Auch auf der Bühne wurde die Stimmung alberner, und die lachenden Blicke untereinander und das spontane Grinsen waren ungeheuer ansteckend. Als Sari dann mit seiner Mokka-Bewegungs-Show während der ‘Heißen Liebe’ alle Blicke vom Leadsänger Clemens abzog, war es total lustig.
Der Besserwisser startete leiser, zurückhaltender aber mit mehr Spannung als sonst und gefiel mir damit ausgesprochen gut. Das hat was. Letztes Lied vor der Pause war Mädchen lach doch mal, und da war schon die Ansage superklasse, denn Dän stellte Eddi und Sari als „diese beiden Komiker, die jetzt einen Schritt nach vorne treten“ vor, was auch die Betroffenen zum spontanen Lachen brachte. Als dann noch Sari eine witzige Bemerkung zu seinem neu gewachsenen Bärtchen abbekam, war es ganz aus.
Dann war Pause und ich kaufte mir fünf Lose, um vielleicht ein Autogramm der Wise Guys zu gewinnen. Das hätte ich sehr witzig gefunden. Draußen auf dem Schulhof standen die Leute um den Getränkestand herum und nur drei halbwüchsige Mädel hingen gebannt vor den bodentiefen Fenstern des Lehrerzimmers und beobachteten hochkonzentriert und ziemlich aufgeregt die Wise Guys beim Umziehen. Das wäre ein schönes Foto geworden: Drei Mädchen, die sich halb hinter den Ästen eines Busches verstecken und dahinter ein hellerleuchtetes Zimmer, in dem sich mehrere ältere Jungs umziehen. Was ich in den wenigen Sekunden gesehen habe, könnte tatsächlich ausreichen, pubertierenden Mädels schlaflose Nächte zu bereiten. Zum Pausenende waren dann plötzlich die orangen Vorhänge zugezogen. Schade eigentlich.
Im zweiten Teil kamen die Wise Guys in ihren schwarzen Bühnenklamotten zurück und wurden mit anerkennendem Gejohle begrüßt. Ich fand die früheren Anzüge ja nie schlecht, aber im Vergleich sehen die neuen Sachen doch viel jünger, fitter und einfach besser aus. Armes Schwein kam schön jazzig rüber, und Dän und Clemens könnten ihre hämischen Ergänzungen wie “…und ganz allein!” ruhig noch etwas stärker ausbauen. Dieses gemeine Grinsen ist klasse!
Sehr schön, dass nach dem Gelächter die Stimmung im Publikum bei Bleib wie du bist sofort ruhig und sentimental wurde. Danach Willst du mit mir gehn bei dessen Ansage Sari schon wieder eine Bemerkung über sein Bärtchen abbekam: “Eine optische Veränderung, mit der wir alle nicht gerechnet hatten.” Kann es sein, dass Dän nicht begeistert davon ist? Ich frage mich, ob sich jetzt Saris Fangruppe ändert. Mit seinem jungenhaften Aussehen hat er ja ganz besonders die Kinder angesprochen und der Hip-Hop-Bart macht ihn älter und irgendwie cooler, auch wenn er sein junges Gesicht behält. Mal sehen, wer demnächst bei Afterglows seine Nähe sucht. Jedenfalls bekam er viel Beifall und besonders sein Beckenschwung brachte anerkennendes Geschrei der weiblichen Fans, zu denen ich mich ja unbedingt auch zählen muss. Er kann das einfach total charmant und süß.
Dän überbrachte danach die Horrormeldung, dass die Gewinne der Tombola weg waren. Stimmpfeife und Poster waren verschwunden und nur der Sekt stand noch auf dem Tisch. Er bat darum, die Preise wieder zurückzulegen, da es sonst ja eine Tombola ohne Gewinne sei. Na super. Würde wohl nichts werden mit meinem Wise Guys Autogramm.
When I’m 64 startete mit einem wunderbar tiefen Bass, und Ferenc führte den lässigen Magenschlag an seinen Nachbarn so heftig aus, dass Dän fast die Augen aus dem Kopf kippten. Das war schon ziemlich fest und ich hätte mich nicht gewundert, wenn Dän auf der Bühne langsam zusammengeklappt wäre. Er hielt sich aber tapfer. Am Schärfsten war Sari als sächselnder Hip-Hopper.
Danach Kaiser Franz, ein Lied, dessen Anfang mir schon im Juni begegnet ist, ohne dass ich es merkte. Damals hatte Dän im Wise Guys Gästebuch die Rätselfrage gestellt, von welchem Lied der Anfang: “Ich joggte kürzlich durch den Wald, am Regnen war’s, und schweinekalt” sei. Natürlich wußte das ,und auch ich wäre nie im Leben auf den Gedanken gekommen, dass es ein ‘echter’ Text werden würde. Sowas Blödes hätte ich Dän nicht zugetraut. Inzwischen kenne ich aber die weiteren Zeilen und bin total begeistert. Sehr abgedreht, geniale Wortspielereien, und besonders die Kombination von „Gebissen wissen – Gewissensbissen“ ist umwerfend. In meinem bisherigen Leben waren Feen immer makellos, darum ist es besonders faszinierend, dass die Fee aus diesem Lied im Matsch liegt und einen breiweichen Kiefer hat. Superklasse. Dazu der extreme musikalische Wechsel zwischen Strophe und Refrain, was bei besserer Lightshow als in der Zündorfer Aula unbedingt mit einem extremen Lichtwechsel verstärkt werden muß. Die Backgroundjungs bei den Feen-Strophen würde ich übrigens sofort als Hintergrundmusik bei der Geisterbahn anstellen. Klasse!
Ein sehr lobendes, anerkennendes “Der redet ‘ne Scheiße!” war ein Kommentar aus der Reihe hinter mir zu Däns Ansage zum Root Beer Rag. Passend dazu war der Anfang des Liedes, der … ich sag mal ‘kreativ’ war, dann aber schnell wieder in gewohnte Bahnen kam. Da merkt man die Profis. Eddie hatte zu lange Urlaub gehabt, denn er wusste zwischendurch nicht ,wo er darstellerisch dran war, machte irgendwie weiter, spielte dann statt fiktivem Banjo lieber Klavier und wechselte im letzten Moment, bevor Dän ihm das komplette Tasteninstrument hätte entreißen müssen. Ich denke, dass es den meisten Zuschauern aber nicht mal aufgefallen ist.
Zu schön für diese Welt war klasse, Schlag mich, baby ergab quietschendes Gelächter und sofortige Zugaberufe. Auf die Ansage Nein, Nein, Nein gab es juchzende “Jaaaaa!” und ein “Das ist geil!” aus den Zuschauerreihen und die Stimmung war wirklich gut, auch wenn sie mir im letzten Jahr überschäumender und gellender vorgekommen war.
Zweite Zugabe war Golden Eye, bei der Eddi während Däns Ansage zum harten Agenten-Leadsänger mutierte. Supergut wieder, wie mit ein wenig Lichtwechsel und der guten Darstellung die Stimmung im Publikum beeinflusst wird. Viel Beifall, und als letzte Zugabe nochmal Jetzt ist Sommer, bei dem diesmal richtig gut mitgeklatscht wurde. Es sprang aber keiner vom Stuhl, wie ich das woanders schon erlebt habe. Als die Wise Guys dann unter viel Applaus von der Bühne gegangen waren, flackerte das Saallicht an und der Beifall hörte sofort auf. Alles strömte zum Afterglow, wo es viele Kinder und viele geschriebene Autogramme gab. Die Stimmpfeife für die Tombola war wieder aufgetaucht und der Gewinner versuchte, sie wie eine Art Mundharmonika zu benutzen, konnten sie aber nicht so schnell drehen, wie er die Töne gebraucht hätte. Die Autogrammbilder blieben verschwunden und mit meinen Nummern hatte ich nicht mal den Sekt gewonnen.
Insgesamt ein schöner Abend, von der Stimmung und Atmosphäre her gab es schon gewaltigere Konzerte. Es hat mich darum für mein erstes Konzert nach der Sommerpause emotional nicht überfordert und war ein guter Einstieg in die weitere Saison, in der die Wise Guys bei mir ‘ganz weit vorne’ liegen, um auch mal einen dezenten Hinweis auf die wirklich tolle neue CD zu geben. Übrigens fiel erstaunlich wenig auf, dass die ‘Sexbomb’ im Programm gefehlt hat. Aber Ferenc, der immerhin am Tag vorher ein Jahr älter wurde, musste wahrscheinlich etwas geschont werden. Er ist eben nicht mehr der Jüngste.
Jetzt ist Sommer
Frühlingslied
Ich war noch nie bei RTL
Das Leben ist zu kurz
Zur Lage der Nation
Philosoffen
Ohne dich
Meine heiße Liebe
Besserwisser
Mädchen, lach doch mal
Armes Schwein
Bleib wie du bist
Willst du mit mir gehn
When I’m 64
Kaiser Franz
Root Beer Rag
Zu schön für diese Welt
Schlag mich, baby
Nein, nein, nein
Golden Eye
Jetzt ist Sommer