WG Konzertberichte

Wise Guys – 14.03.2001 – Philharmonie – Köln … mit philharmonischen Reaktionen

Ein Hurra-die-Wise-Guys-singen-in-der-Philharmonie!-Fan bin ich eigentlich nicht. Dazu ist mir die Kölner Philharmonie viel zu groß. Irgendwie verliert sich die Zuschauerstimmung manchmal ein wenig in den Weiten des Saales. Andererseits verstehe ich, warum die Wise Guys dort gerne auftreten. Die wunderschöne Philharmonie bedeutet absolute Seriosität, blaugekleidete Platzanweiserinnen, Hustenbonbons an den Garderoben, glänzendes Holz, Zuschauerplätze, die bis in schwindelerregende Höhen reichen und irgendwie das Ziel der Träume. Wenigstens innerhalb Kölns. Ein Blick von der Bühne dieses unterirdischen Amphitheaters nach oben in die gefüllten Zuschauerränge muss beeindruckend sein. Und der Satz: “Die Wise Guys haben die Philharmonie vollgekriegt” lässt Musikkenner ehrfürchtig staunen.

In dieser Woche stand auf dem Spielplan der Philharmonie: Werke von Tschaikowsky und Mozart, Werke von Dickopf und Hüneke, Anne-Sophie Mutter geigt was, Werke von Brahms und Mendelssohn-Bartholdy. Klasse Mischung. Nur die Geigerin fiel etwas raus.

Es war Mittwoch, die Werke von Dickopf und Hüneke waren dran, und die roten Polster der Philharmonie verschwanden mehr und mehr unter dem stetigen Andrang der hereinströmenden Besucher. Die Zuschauer auf den Stehplätzen hielten die freien Sitze im Blick, aber es sah nicht gut für sie aus, und am Schluss gab nur wenige rotleuchtende Polster, die noch besetzt werden konnten, und viele stehende Besucher. Die Philharmonie war wieder mal voll.

Das Saallicht ging aus, das Bühnenlicht an und die Wise Guys kamen aus dem Seiteneingang auf die Bühne gelaufen. Sie wurden mit Jubel empfangen und starteten mit ihrem Lied von der Wahren Liebe. Sehr schöner Klang! Ich war erleichtert, denn im letzten Herbst fand ich den Ton in der Philharmonie nicht so gut. Ich hatte es ja schon auf die ungünstigen Sitzplätze geschoben, aber diesmal saß ich auch nicht besser, hörte aber trotzdem schöner.

Die Wise Guys mussten von der Bühne ganz ungewohnt nach oben zu den Zuschauern gucken und hatten dazu den berüchtigten Block Z im Rücken. Den Block mit den immer noch recht teuren Karten, dafür aber durchgehender Rückenansicht der Sänger und schlechter Textverständlichkeit. Dän gab bei seiner Ansage auch sofort einen besonderen Gruß an dieses dankbare Publikum, das sich über jeden Blick der Wise Guys freute. Es gab allerdings nicht so viele Blicke nach hinten, und ich persönlich finde rückwärtige Sitzplätze für ein Konzert dieser Art sehr ungünstig. Für die Besucher der anderen Philharmonie-Plätze ist es aber immer nett anzusehen, wenn hinter den Akteuren gefüllte Plätze zu sehen sind.

Um das Publikum zu motivieren, erzählte Dän von dem Besuch eines klassischen Konzertes in der Philharmonie, bei dem in den Pausen zwischen den Sätzen nicht geklatscht, dafür aber gehustet wurde. Am heutigen Abend durften alle auf Kommando mal husten und Dän betonte, dass bei einem Wise Guys Konzert in der Philharmonie auch laut geklatscht und gejubelt werden dürfte. “Seien Sie ganz wie zu Hause!” Der anschließende Klatsch- und Jubeltest klappte sehr überzeugend und die ersten ‘philharmonischen Hemmungen’ waren genommen. Die Stimmung im Publikum war gut und in der Moderation wurde bei der Stelle: “Wenn ein Mann einen Satz sagt…” sofort vergnügt gelacht. Ich fragte mich erneut, was an diesem bis dahin unvollständigen Witz eigentlich so lustig ist. Mein Mann sagt auch manchmal Sätze, aber das allein ist noch nicht witzig. Ich lache höchstens, wenn er fertig ist. Aber das ist ein anderes Thema.

Es gab diesmal keinen Butler auf der Bühne und ich habe ihn, ehrlich gesagt, auch nicht vermisst. Das Frühlingslied konnte nur verzögert gestartet werden, weil Dän vorher noch schnell an den Rand lief, um einen Schluck Wasser zu trinken. Dabei hatte Sari doch schon den Ton angegeben und die anderen tief Luft geholt. Gut für Dän, dass er bei diesem Lied ganz alleine mit ‘Ding-ding-ding-ding’ anfangen muss, denn so konnten sie nicht ohne ihn starten. Der Applaus danach war ordentlich, aber noch kultiviert. Auch der anschließende Spontanitätstest mit dem Saalbeleuchter fiel eher ungünstig aus. Die Durststrecke, die Dän überquatschen musste, war dann doch ziemlich lang. Aber es wurde trotzdem noch hell, und bei der Zuschauerbefragung stellte sich erstaunlicherweise heraus, dass es eindeutig mehr Neuhörer gab. Auch fast der komplette Block Z gehörte dazu. Erstes Wise Guys Konzert – und dann von hinten!

Beim eigentlich mitreißenden RTL-Lied gab es in der ersten Strophe kein Mitklatschen. Die Zuschauer hörten sehr interessiert, aber ruhig zu. Erst beim „Li-ti-ti-vi“ wurde vergnügt gelacht und es ging los. (1+3, für Kenner.) Die Ansage zu Genurjanie Indiebarda wurde zum Sickerwitz, der sich sehr langsam, aber unaufhaltsam ausbreitete. Wunderbar zu hören, wie das grummelnde Gelächter nach hinten wanderte. Auch bei diesem Lied blieb das Lachen an den lustigen Stellen etwas philharmonischer, also leiser als sonst. Trotzdem war die Stimmung sehr schön. Als Sari klagend fragte, was bei Joe wohl besser ist, riß Joe (Eddi) sein Hemd auf und ließ die behaarte Brust sehen. Das war wirklich passend und erntete sofort Gelächter. Sehr gut!

Zur Lage der Nation wurde ebenso eher ruhig aufgenommen. Es wurde ziemlich leise gelacht und überhaupt nicht mitgeklatscht. Allerdings ging in der großen Philharmonie auch sehr viel von dieser unglaublich blöden Mimik verloren, die mich aus der Nähe immer sehr fasziniert. Das Publikum hörte aber aufmerksam auf den Text, stieg ganz am Schluss, als die Wise Guys es vormachten, auch endlich mit dem Klatschen ein und vermengte den anschließenden Applaus mit viel lautem Gejubel. Kam also doch ganz richtig an.  

Sehr sanft und im ersten Teil fast zärtlich wurde dann das Parfum gesungen. Wunderschöner Klang, und Däns Stimme war immer noch leicht rauh.
Eddi brachte Ohne dich danach sehr temperamentvoll. Klasse! Genauso hart muss sich das anhören. Auch seine Bewegungen waren kraftvoll und entschlossen. Warum ging aber, statt knalliger Lightshow, erst beim Schlusston das Flackerlicht an? Das wäre doch schon während des Liedes toll gewesen! So wirkte das Licht etwas lahm. Gute Ausleuchtung, aber immer weiß oder gelb. Da hätte man viel mehr rausholen können.

Da man durch schnelles Reden Intelligenz zeigt, wie Clemens erläuterte, brachten sie „das Schnellste was wir im Programm haben“, den Besserwisser. Kam gut an, aber der Applaus blieb immer noch hinter seinen Möglichkeiten zurück. Es wurde meistens heftig und laut geklatscht, aber nicht besonders lange. Und während der Lieder blieb es meistens ruhig. Das änderte sich erst beim letzten Lied vor der Pause: Mädchen lach doch mal. Gleich beim 1. Refrain wurde heftig mitgeklatscht, und es gab vergnügtes Gelächter, als bei Eddi und Sari die Trommeln durchgingen. Die beiden hatten viel Platz, nutzten das auch aus und stürmten mit wilden Zuckungen energiegeladen über die Bühne. Sehr gut! Es gab begeistertes Geschrei vom Publikum und die Wise Guys gingen mit Schwung ab in die Pause.

Kaum waren sie von der Bühne gab es wechselndes und farbiges Licht und auf der leeren Bühne wurde es endlich mal schön bunt. Leider ohne Wise Guys. Ich hoffte, dass der zweite Teil lichtmäßig aktiver werden würde, und sah zu, wie sich die Philharmoniebesucher erst in dicken Knäueln langsam nach draußen ins Foyer schoben, und als der Saal fast leer war, langsam und in dicken Knäueln zurückkamen. Pause zu Ende.

Die Wise Guys versuchten alles, um Farbe ins Spiel zu bringen und erschienen in den roten T-Shirts und ihren Anzügen. Sie wurden mit großem Jubel empfangen. Galt das den Anzügen, oder den Personen? Die bewundernden, lauten Pfiffe zeigten, dass es dem Publikum dabei mehr um das Äußere ging.

Bleib wie du bist startete erst leicht unsicher im Background, wurde aber bis zum Schluss wieder besser, und ich fand Däns rauhe Stimme so schön. Seit wann stehe ich eigentlich auf heisere Stimmen? Ein Zug an mir, den ich bisher nicht kannte. In Wahrheit war es gar nicht lustig, denn Däns Kehlkopf arbeitete unter voller Kortison-Dröhnung und es war schon verwunderlich, dass nur an der leicht rauhen Stimme zu hören war, dass etwas nicht in Ordnung war.

Danach gab es die Köln-Premiere der Philosoffen. Ein Lied des Kabarettisten Tom van Hasselt, mit dem die Wise Guys im Januar einen gemeinsamen Abend in der Comedia hatten. Inzwischen hatte Tom ein Arrangement der ‚Philosoffen‘ speziell für die Wise Guys geschrieben, und schon als das erste „Humba“ ansetzte, kicherten die Zuschauer los. Auch während des Liedes wurde immer wieder laut gelacht. Der Text ist einfach superlustig! Gegen Ende gab es sogar eine Zwangspause, weil das laute Gelächter abgewartet werden musste. Sehr schön auch der Schluss, der gar keiner war, weil es doch noch weiterging. Ein wirklich witziges, geistreiches Lied. Sehr passend und ganz typisch Wise Guys, würde ich sagen, aber ich weiß ja, dass es nicht von ihnen ist. Es passt trotzdem wunderbar in ihr Programm und wird ganz sicher ein Erfolg werden. Ich finde übrigens die kleine Stelle so schön, an der gesungen wird: “Philo-soffen soffen viel …” Tom van Hasselt saß an diesem Abend im Publikum und wird sich über den großen Beifall sicher gefreut haben. Und wenn jetzt alle, denen das Lied gefallen hat, in seinen Kabarett-Abend gehen, um es mal von ihm zu hören … Momentan ist er alle zwei Wochen Mittwochs im Atelier Theater, Köln!

Auch Willst du mit mir gehn kam sehr gut an und die Stimmung war seit der Pause überhaupt deutlich lauter und lockerer. Für die Philharmonie war das schon wirklich toll, und es war kein Vergleich zu meinem letzten Wise Guys Philharmonie Konzert, das ich als sehr ruhig empfunden hatte. Däns Klatsch-Aufforderung am Anfang des aktuellen Konzertes war nicht umsonst gewesen. Trotzdem ist man als Zuschauer in der Philharmonie gehemmter beim Grölen. Vielleicht liegt das auch an der Anordnung der Plätze, bei denen man nicht so eng zu den Nachbarn sitzt und dadurch das eigene Gebrüll so unangenehm laut hört. Peinlich. Ich merke das schon an mir. Wenn mein Nachbar nicht ebenfalls laut ist, fühle ich mich immer unverhältnismäßig störend.

When I’m 64 bekam dann endlich mal Riesen-Applaus, und auch bei Däns Erklärung zu den ‘Keks-Treffen’ gab es große Erheiterung. Der Root Beer Rag hatte dann so ein Wahnsinns-Tempo, dass er höchste Intelligenz demonstrierte und wahrscheinlich die IQ-Schallmauer durchbrach. Schon beim Zuhören verspannte sich mein Mund und die Zunge begann Knoten zu werfen. Wie können die nur so viele ‘Di-te-li-te-lis’ in der Sekunde singen? Supergut!

Ferenc wurde später von Dän in der Ansage zu Sexbomb wieder in übelster Weise niedergemacht, dafür später vom Publikum aber umso lauter gefeiert. Besonders der lässig gesungene französische Teil kam gut an. Allerdings zeigte sich die Begeisterung der Zuschauer eher im Refrain-Mitklatschen, als in Gejohle. Da weder Dessous, noch Stofftiere auf die Bühne flogen, warf Ferenc danach seinen Glitzerfrack über Saris Kopf. Kam auch gut an.

Immer wieder zu hörende, aber nicht zu verstehende Zwischenrufe aus den oberen Reihen interessierten Dän inzwischen so sehr, dass er die unbekannten Ruferinnen öffentlich zum anschließenden Kölsch-Empfang einlud. Ich sah das schon vor mir: 400 Mädels, die ihre Chance wahrnahmen und am Eingang zum Künstler-Bereich sagten: “Ja, ich war die, die gerufen hat”, und die alle ein freundliches: “OK, du kannst rein!” als Antwort bekamen. Ob Dän wusste, was für ein Risiko er einging?

Zu schön für diese Welt war sehr gut, und Sari erhielt beim Abschlusslied Schlag mich, baby Sonderapplaus für seinen Körpereinsatz. Abgang der Wise Guys GUYS unter großem Jubel und starkem Applaus. Die ersten ahnungslosen Besucher eilten zum Parkhaus, weil sie nicht wussten, dass die nächsten Zugaben noch fest einkalkuliert waren. Die Gesichter der Wise Guys würde ich gerne mal sehen, wenn sie startbereit für die erste Zugabe hinter der Türe stehen, der Applaus aber sofort aufhört und alle Leute aufstehen und weggehen! Passierte natürlich nicht, und die Wise Guys eilten unter lautem Jubel auf die Bühnenbretter zurück. Weil der Weg bis dahin so lang war, machten sie das im Laufschritt, was sportlich, fit und durchtrainiert aussah. Ehrlich! Sehr jugendlich und dynamisch, obwohl sie ja alle mehr oder weniger um die 30 liegen.

Ohne weitere Ansage ging es gleich mit Nein, nein, nein weiter, und die erfahrenen Zuhörer klatschten ab dem 1. Refrain rhythmisch richtig mit. Mit einer geschickten Kunstpause hielten sich die Wise Guys wenigstens die Strophen klatschfrei, aber die gute Stimmung im Saal war da. Anschließend musste Dän leider den Afterglow absagen, weil es zu viele Leute gab und die Philharmonie freigeräumt werden musste. Abgesehen natürlich von den vermutlich 400 Zwischenruferinnen, die von Dän zum Kölsch-Empfang geladen waren. Als er von „mehrstämmigen Harmonien“ redete, wurde klar, dass das Kortison inzwischen auf das Gehirn einwirkte und es Zeit für den Schluss wurde.

Marcello Sarini kam für Ich will keine A-cappella überraschend von rechts in den Saal herein, und ich fragte mich sofort, wie er es geschafft hatte, mit fast freiem Oberkörper durch das seriöse Foyer der Philharmonie zu gelangen. Wie hat er die blaugekleideten Aufpasserinnen überrumpeln können, dass sie ihn rein ließen? Mit seinen plumpen Anmachsprüchen?

Es gab viel Applaus nach dem Lied, aber als die Wise Guys hinter der Tür verschwunden waren, stand der nächste Pulk Leute auf, um zum Auto zu gelangen. Dän kommentierte das beim Wiederkommen: “Wenn jetzt alle sofort aufstehen und gehen würden, wären auch alle früher zu Hause.” Seltsamerweise scheint es einen Zusammenhang zwischen vorderen Plätzen und schnellem Verschwinden zu geben. Je weiter vorne, desto früher raus. Ich vermute, dass diese Leute nach den teuren Platzkarten einfach die nächste angebrochene Stunde im Parkhaus einsparen wollen. Ist ja verständlich. Na, ich saß hinten und konnte darum bis zum Schluss bleiben. Und dadurch erlebte ich auch endlich ein richtig farbiges Licht! Es wurde blaugrün zum Golden Eye. Erinnerte ein bisschen an Unterwasserwelten, aber ich will ja jetzt nicht kleinlich sein. War schon in Ordnung. Besonders der Suchscheinwerfer am Anfang war klasse. Eddis Gesang klang an den lauten Stellen scharf und schneidend und war fast schon eine Gefahr fürs Trommelfell. Es wurde also richtig gefährlich, kam aber trotzdem gut an. Abgesehen davon, dass Eddi so super singt, warte ich bei diesem Lied immer auf die Stelle, an der Ferenc auf Dän schießt. Das Zusammenkrümmen des schmerzerfüllten, getroffenen Körpers und das anschließende lässige Herausziehen des Geschosses aus der Brust ist unschlagbar gut! Ich liebe diese Stelle! Nicht nur dafür gab es Standing Ovation.

Schlussbemerkung: Auch dieses Philharmonie-Konzert blieb in der Zuschauer-Reaktion kultivierter als es hätte sein müssen. Aber für philharmonische Verhältnisse war es schon klasse. Die Stimmung war sehr gut, und wenn es auch immer noch kein Vergleich mit Pantheon-Abenden ist, hat es mir trotzdem sehr gefallen. Allerdings ist die große Entfernung ein Problem, denn von hinten lässt sich die Mimik in den Gesichtern nicht mehr erkennen und ein wichtiger Teil des Programmes geht verloren.


Wahre Liebe
Frühlingslied
Ich war noch nie bei RTL
Genurjanie Indiebarda
Parfum
Zur Lage der Nation
Ohne dich
Besserwisser
Mädchen lach doch mal

Bleib wie du bist
Philosoffen
Willst du mit mir gehn
When I’m 64
Root Beer Rag
Sexbomb
Zu schön für diese Welt
Schlag mich, baby
Nein, nein, nein
Ich will keine A-cappella
Golden Eye