WG Konzertberichte

Wise Guys mit Kleine und Linzenich – 22.01.2001 – Schauspielhaus – Köln

“SingSang und WortKlang” – WISE GUYS versus KLEINE & LINZENICH

Wieso gehörte das Wort ‘versus’ bisher nicht zu meinem üblichen Wortschatz? Es bedeutete, dass sich etwas oder jemand gegenüberstand, oft in gleichwertiger Stärke. Sowohl die Wise Guys als auch Kleine & Linzenich verstanden es meisterhaft, mit spitzen Bemerkungen über den Bühnenkollegen herzuziehen und das Publikum damit zum Lachen zu bringen. Während bei Kleine & Linzenich dabei meistens ein Gleichstand erreicht wurde, gab es bei den Wise Guys immer nur ein Opfer: den Bass. Diese beiden Gruppen im Kampf untereinander und gegeneinander zu erleben, versprach höchst vergnüglich zu werden.

Nikolaus Kleine und Ferdinand Linzenich machen ‘Literatur-Kabarett’. Mit diesem Begriff habe ich schon entsetzte Blicke ausgelöst. “Was ist das denn?” Hört sich hochgeistig und knochentrocken an, ist bei dem Duo aber eine wunderbare Mischung aus sehr schön vorgetragener Lyrik, Schauspielerei, Komik, Sprachverdrehung und ganz gemeinen Bemerkungen. Alles kurz und abwechslungsreich, so dass auch Literatur-Anfänger nicht überfordert werden.

Für die gemeinsame Sondervorstellung “SingSang und WortKlang” war das Schauspielhaus schon lange ausverkauft. Zunächst betraten die Wise Guys alleine die Bühne und machten den Anfang mit dem Frühlingslied. Das Publikum blieb auffällig ruhig und lachte nett, aber wenig. Bei der anschließenden Begrüßung bedauerte Dän, dass es eigentlich ein gemeinsamer Abend mit Kleine & Linzenich hätte werden sollen, beide aber leider krank wären. Er war dabei erstaunlich gut gelaunt und redete ziemlich geringschätzig von “dem Literatur-Kabarett aus Bergisch-Gladbach”. Es war eine leichte Enttäuschung im Publikum zu spüren, weil wahrscheinlich doch mehr als die von Dän geschätzten “zwei oder drei Kleine & Linzenich-Fans” da waren.

Die Wahre Liebe wurde angestimmt, doch schon während des ersten Refrains liefen zur Freude der Zuschauer Nikolaus Kleine und Ferdinand Linzenich über die Bühne und gestikulierten mit den Bühnenarbeitern hinter dem Vorhang. Mitten im Lied wurden die Wise Guys zügig in den Orchestergraben versenkt. Kleine und Linzenich schauten grinsend hinterher “… sie waren noch sooo jung!” und stellten sich dem Publikum vor. Ein sehr schöner Anfang des gemeinsamen Abends.

Netterweise ließen sie den Boden nach dieser Machtdemonstration wieder hochfahren und begrüßten die Wise Guys mit unechtem Lächeln und vorgespielter Freundlichkeit. “Schön, euch zu sehen!” Dän konterte, indem er dem Publikum erklärte: “Sie singen gerne, obwohl sie es nicht können.” Das bewiesen sie auch sofort. Nikolaus Kleine übernahm die Leadstimme bei Ich war noch nie bei RTL und auch Ferdinand Linzenich sang kräftig mit. Stimmlich war es nicht immer perfekt, aber es machte viel Spaß. Kleine und Linzenich sangen kräftig und mit viel Begeisterung, und den Hintergrundchor machten die Wise Guys. Klasse! Außerdem wurde im Publikum endlich mal nicht auf 1 und 3 geklatscht, sondern auf 1 und 3 UND 2 und 4. Also eigentlich immer. Sehr viel Beifall, und Kleine & Linzenich überließen die Bühne den Wise Guys.

Die sangen Genurjanie Indiebarda. Leider war das Licht dabei nicht so schön. Alles ziemlich dunkel, was schade war, denn ich habe es schon mit wunderschönen Farben unterstützt gesehen, die immer sehr wirkungsvoll waren. Allerdings waren weder das Licht, noch der Gesang ein Grund, warum es nur schmale Lacher gab. Das Publikum war anders als sonst. Aufmerksam, aber viel zu ruhig. Im Durchschnitt auch älter als auf ‘normalen’ Wise Guys Konzerten. Hier hätte mich eine Umfrage interessiert. Wer ist wegen der Wise Guys da? Wer will Kleine & Linzenich sehen? Wer hat ein Schauspielhaus-Abo und ist nur darum da?

Bei der Heißen Liebe ging es mit dem Applaus schon besser, es gab auch fröhliche, spontane Lacher, aber alles sehr kurz. Gelacht wurde: “Haha!” und Schluss. Willst du mit mir gehen kam danach auch nicht viel besser weg. Kaum Lacher! Und das bei dem Bombenlied mit tollem Text, toller Melodie und tollem Sari! An den Wise Guys lag es nicht, das etwas seriöse Schauspielhaus-Publikum brauchte seine Zeit, um locker zu werden. Aufmerksam, interessiert und gut gelaunt war es nämlich. Der anschließende Applaus war so kurz, dass Dän es nicht schaffte, einen ordentlichen Schluck Wasser zu trinken. Das überraschte ihn selbst und er nannte das Publikum höflich “kultiviert”. Danach gab es das Parfum sehr schön und stimmungsvoll, und endlich gab es richtig guten Applaus. Kein Pseudo-Geklatsche, damit der ‘Ansager mal trinken kann’, sondern ehrlichen Beifall. Na also. Ging doch.

Beim anschließenden Ohne dich flog ‘Ernst August‘ raus und wurde durch eine neue Strophe ersetzt. Sehr gut! Zumal ich vorher beim Ende der Zeile auf ‘Monaco’ immer überlegen musste, wo der Gag saß und ob ich hätte lachen müssen. ‘Monaco’ an sich ist ja nicht wirklich witzig. Der Lacher kam blöderweise immer erst in der nächsten Zeile. (Kann jetzt nur verstehen, wer die Strophe kennt.) Eddi machte beim ‘Single-Bar-Toilettenpapier’ eine wunderbar peinlich-verlegene Geste. Sehr schön passend!

In die nächste Moderation hinein platzten Kleine & Linzenich. Sie brüllten sich an, und der völlig unbeteiligte Eddi bekam ein: “Du langhaarige Schlampe!!” ab. Die Wise Guys traten kopfschüttelnd ab und die beiden Kabarettisten redeten über die Liebe und dass man dabei “Spaß haben kann, ohne zu lachen”. Sie spielten die “Sommermädchenküssetauschelächelbeichte”, in der Nikolaus Kleine das Mädchen spielte, und Ferdinand Linzenich mit großem Hut und noch größerer Schauspielerei den verwegenen Küsser. Sehr schön und unter großem Gelächter des Publikums. Nur vor dem Kuss drückte er sich, indem er kurzentschlossen von der Bühne hüpfte und anstelle seines Bühnenpartners eine Dame in der ersten Reihe küsste.

Nach den witzigen Sachen und ihren ständigen Seitenhieben trugen Kleine & Linzenich noch ein wenig  besinnlichere Lyrik vor. Das können sie ja wunderbar. Das Publikum lauschte konzentriert und aufmerksam und klatschte anschließend stark.

Der letzte Punkt vor der Pause war dann grandios. Zunächst brachten Kleine & Linzenich ihre Nummer von Jesus Christus mit den 12 Aposteln beim Lieblingsitaliener. Gnadenlos komisch. Ferdinand Linzenich als Chef der “Trattoria Golgatha” mit weißer, langer Schürze um die Hüften, über dem Arm ein Handtuch und in der Hand einen Notizblock. Mit stark italienischem Akzent bediente er die fiktiven Apostel-Gäste und es hagelte viele Anspielungen, die lautes Gelächter auslösten. “… macht ihr euerr Brrrot heute wiederr selbst?”

Am Ende des Stückes kam Sari auf die Bühne, ebenfalls mit weißer, langer Schürze und einem Handtuch über dem Arm. Begeistert begrüßten sich die beiden ‘Italiener’ mit Umarmungen und Küssen, die sie ständig wiederholten. Dazu ihr italienischer Akzent: Superspitzengut! Dann ‘erzählte’ Marcello Sarini singend bei Ich brauch keine a-cappella, dass er keine Pizzeria mehr hat, sondern ein Eiscafé. Als ‘bella Donna’ stolzierte Nikolaus Kleine in kurzem Pelzmantel und mit Sonnenbrille über die Bühne, und es war wirklich eine total gute Nummer.

Ich weiß ich gar nicht, ob mir Sari mit Schürze und Handtuch nicht noch besser gefällt, als mit seinem freien Oberkörper. Obwohl ich ja zugegebenermaßen ein ‘Sari-T-Shirt-frei-Bauch-guck-Fan’ bin. In den großen Beifall hinein stöckelte ‘bello Nikolaus’ und flötete: “Pause!” in den Saal.

P A U S E

Weiter ging es mit Kleine & Linzenich, die kräftige Lacher mit ihrem Gespräch übers ‘Pupsen’ und ‘Furzen’ ernteten, natürlich in Literatur-Kabarett-Formulierungen. Die Wise Guys machten Stimmung mit ihrer Schlag mich, baby-Performance und überhaupt war das Publikum endlich völlig begeistert und zeigte das auch. Im direkten Vergleich der beiden Gruppen war auch zu merken, dass die Wise Guys fast noch zu nett mit ihrem Bass umgehen. Da versuchten Kleine & Linzenich wesentlich härter Lacher und Beifall auf Kosten des anderen zu bekommen. Überhaupt blieb Ferenc an diesem Abend verschont, da Dän genug mit den Literatur-Kabarettisten zu tun hatte. Die brachten die “Ode an die deutsche Befindlichkeit” mit ihrem entlarvenden Echo, woraufhin die Wise Guys Zur Lage der Nation sangen. Seltsamerweise wurde das Lied unerwartet ruhig hingenommen und es gab nur einige Mitklatscher beim Refrain, aber trotzdem viel Beifall am Schluss.

Nach dem Root Beer Rag und Besserwisser kam When I’m 64. Bei Däns Strophe freudiges Gelächter, bei Sari quietschende Lacher, Schlussapplaus … aber dann ging es weiter mit „When I’m 64“. Nikolaus Kleine sang eine neue Strophe mit den wunderbar gemeinen Zeilen: “… wie wirr auch der Geist sei, ich werde dann Wise Guy”, und Ferdinand Linzenich setzte mit einem Alterssprung auf “When I’m 84” noch eins drauf und sang zitternd: “… dann ess ich nur Maisbrei, egal, ich werd Wise Guy.” Riesenjubel über dieses witzige Gemeinschaftsprojekt. Die Wise Guys guckten allerdings sehr pikiert ins Publikum und Dän kommentierte sauertöpfisch: “Der Beifall ruft Fragen auf.” Trotzdem sangen sie Zu schön für diese Welt und Mädchen, lach doch mal und heimsten dafür ihren Applaus ein.

Zum Abschluss standen dann alle sieben auf der Bühne und sangen das Otto Reutter Lied “In 50 Jahren ist alles vorbei”. Diesmal sang jeder eine Strophe und die beiden letzten waren wieder richtig schön gemein. Nikolaus Kleine sang: “… die blöden Wise Guys sind auch noch dabei”, und Dän reimte auf “Kleine und Linzenich” “..lustig sind se nich”. Auch wenn die Vortragskünstler das nicht so zeigen wollten, hier stellte man als Zuschauer beruhigt fest, dass sie sich in Wahrheit sehr mochten. Die Stimmung auf der Bühne war einfach zu gut. Es gab dann auch sehr großen Applaus, Gejohle und echte Begeisterung.

Natürlich konnte der Abend nicht ohne Zugaben enden. Die Wise Guys sangen Nein, nein, nein und Kleine & Linzenich brachten noch drei kleine Stücke, von denen Ferdinand Linzenich als Holzstaub-sprühender Holzwurm umwerfend gut war. Wie schaffte er es nur, einen einzelnen Keks so lange stoßweise auszuspucken? Beeindruckend! Danach wurde er zur Schnecke, und wenn eine Schnecke eine Mimik haben sollte, dann die von Ferdinand Linzenich!

Am Ende gab es gemeinsames Verbeugen vor dem begeisterten Publikum. Es war ein wirklich schöner, lustiger, gelungener Abend von zwei Gruppen, die sich eigentlich keine Konkurrenz machen. Eine gelungene Kombination! Dass das Schauspielhaus-Publikum zum Teil nach der letzten Nummer fluchtartig aufstand, um zu Garderobe und Parkhaus zu eilen und damit eine weitere Zugabe verhinderte, will ich eigentlich nicht großartig erwähnen.


Liedliste Wise Guys:
Frühlingslied

Wahre Liebe
Ich war noch nie bei RTL
Genurjanie Indiebarda
Meine heiße Liebe
Willst du mit mir gehn
Parfum
Ohne dich
Ich brauch keine a-cappella
Schlag mich, baby
Zur Lage der Nation
Root Beer Rag
Besserwisser
When I’m 64
Zu schön für diese Welt
Mädchen lach doch mal
Nein, nein, nein