WG Konzertberichte

Wise Guys – 07.01.2001 – R.S.-Gymnasium – St. Augustin … mit Wohlfühlsesseln

Rhein-Sieg-Gymnasium

Die Wise Guys hatten ihre Arbeit in diesem Jahr schon am Tag zuvor aufgenommen, aber ich hatte mir Zeit bis zum zweiten Konzert genommen, um meine Situation in Ruhe überdenken zu können. Das Jahr 2000 hatte mich völlig überraschend mit einer Wise Guys Begeisterung überrollt, die mich dazu brachte, ständig zu Konzerten zu fahren, Berichte zu schreiben und sogar eigene Homepage-Seiten über die Wise Guys zu fabrizieren. Kostete Geld und Arbeit und ließ meine Mutter besorgt aussehen. “Anette, man muss auch mal Prioritäten setzen!” “Mach ich ja!”

Womit wird mich das Jahr 2001 überrollen? Werde ich auf JEDES Wise Guys Konzert fahren … ach, nee, dafür war es ja schon zu spät. Werde ich noch häufiger als im vergangenen Jahr zu Konzerten gehen, meinen Haushalt leichtherzig vernachlässigen, das Sorgerecht entzogen bekommen und obdachlos und ohne Zahnpasta unter der Rheinbrücke schlafen? “Seht euch mal die ungekämmte Frau an! Die mit der Schnapsflasche. Das ist ein Wise Guys Fan.” Vielleicht werde ich auch an einem schönen Mai-Abend mitten im Konzert plötzlich denken: “So, das war’s”, meine CDs verschenken, die weiteren Eintrittskarten als Lesezeichen benutzen und ab dann nur noch so was wie Wolfgang Petry hören.

Wird mir beim 120. Konzertbericht noch irgendein neues Wort in den Sinn kommen, oder schreibe ich nur noch: “… war wie bei Konzert Nr. 37”? Werde ich durch den ständigen Schlafmangel, hervorgerufen durch nächtliche Konzert-Orgien und anschließendes Berichteschreiben bis in die frühen Morgenstunden, vor dem Computer dahinsiechen und die “erste Internet-Tote” werden? Ein Schicksal, das mir der Gatte schon lange prophezeit. Mir standen einige Möglichkeiten offen. Das Jahr versprach interessant zu werden, besonders, weil ich noch nicht wusste, für welche Möglichkeit ich mich entscheiden würde.


Immerhin gaben mir die Wise Guys Konzerte Gelegenheit, sehr unterschiedliche Konzerthallen kennenzulernen. An diesem Tag war es die Aula des Rhein-Sieg-Gymnasiums in St. Augustin. Da war ich vorher noch nie drin gewesen. Sah aber gar nicht aus wie eine Aula. Üblicherweise stehen in einer Aula aneinandergehängte Stuhlreihen aus schwarzem Metallgestell mit Holzsitzen. Die sehen nach einigem Hin- und Herrücken dann immer so unschön verbogen aus. Im Rhein-Sieg-Gymnasium nicht. Hier gab es festgeschraubte, grüne, genialweiche Sitze. Sehr bequem. Hielten auch schön warm. Da wusste ich aber noch nicht, dass auch die Heizung an diesem Abend auf Hochtouren lief.

Die 500 ‘Reinsinken-und-Entspannen-Sessel’ waren alle besetzt, da ging das Saal-Licht aus und es wurde dunkel. Ein Raunen ging durch die Zuschauermassen, aber dann – – –  Stille! Kein Applaus! Das war völlig ungewöhnlich. Es traute sich aber auch keiner mehr ganz alleine anzufangen. In diese meditative Ruhe hinein marschierten die Wise Guys auf die Bühne und endlich ging der Beifall los. Sehr seltsam.

Wie üblich wurde mit dem Frühlingslied begonnen und es gab ringsherum gedämpftes, aber fröhliches Gelächter. Dän begrüßte die Zuschauer anschließend so locker und klasse, dass er das Publikum sofort gewann, auch wenn es das nicht unbedingt laut zeigte. Bei der statistischen Befragung stellte sich heraus, dass die Wise Guys zum zweitenmal in St. Augustin waren, die überwiegende Mehrheit der Anwesenden aber Neuhörer waren, ein Grund, warum auch während der Lieder sehr viel gelacht wurde.

Ich war noch nie bei RTL zog wieder alle mit, und die Wise Guys konnten es bei aller Anstrengung nicht schaffen, die mitklatschende Masse weg von der 1 und 3 auf die 2 und 4 zu bringen. Da war der erste Impuls einfach stärker. Gehnurjanie Indiebarda wieder sehr schön mit einem Sari, der der portugiesischen Sprache immer mächtiger wird und einige Wörter noch intensiver betont. Klasse. Von allen zusammen sehr schön gesungen, mit einem wunderbar sanften Ende. Es war ganz still in der Aula und der letzte Ton schwebte nur noch über der Bühne. Spitzenklasse! Was fürs Herz, auch wenn der Text eigentlich lustig ist.

Viel Applaus auch für Zur Lage der Nation, das genau richtig ankam. Ich musste vor lauter Freude grinsen, als es eine richtig spannende Kunstpause gab, bevor Dän mit seinem fiesen “… wir sind endlich unter uns!” loslegte. Hach, meine Lieblingsstelle! Was sieht er dabei schön gemein aus! Eddi wurde bei Ohne dich wieder ein harter, cooler Typ, der viel Hass, Wut und Kraft zeigte, und ich wundere mich immer, wenn ich diese Seite bei ihm sehe. Vielleicht ist er in seiner Freizeit ein total blöder Angebermacho, der Türsteher zusammenschlägt und Leute anpöbelt? Sieht man ihm allerdings nicht an.

Die Heiße Liebe bekam von den Insidern Vorapplaus bei der Ansage und von den Neuhörern lautes Gelächter, als das Wort ‘Kaffee’ ins Spiel kam. Das war dann auch für die Vielhörer wieder sehr lustig. Clemens sang ein Mädel in der ersten Reihe an, das ihm im Gegenzug ein Schild hinhielt, auf dem ‚Clemens‘ stand. Ein echter Fan, also!

Dän lernte, dass die früheren ‘Handzettel’ inzwischen ‘Flyer’ heißen und auch fliegen können, wenn man ein Flugzeug daraus faltet und es dem Moderator mitten in der Rede um die Ohren sausen lässt. Beeindruckend. Die Flugbahn war übrigens echt gut!

Letztes Lied vor der Pause war Mädchen, lach doch mal. Als Dän “Pavian-Hinterhaut-Felltrommeln” als Begleitinstrumente erwähnte, machte er damit schlagartig die ganze Truppe fertig. Besonders Ferenc brauchte lange, bis er sich wieder an sein ernstes Gesicht erinnern konnte. Clemens sang sich lachend durch die letzte Strophe, sie ernteten am Schluss viel Applaus, und neben mir flüsterte mein Gatte vergnügt: “Für was so‘n Pavianhintern alles gut ist!” Mit diesen Gedanken ging es in die Pause.

Danach wurden die schicken Anzüge vorgestellt und ernteten begeisterte Pfiffe. Sari war wieder supergut bei seinem Willst du mit mir gehen, und ich merke, dass ich dabei gar nicht auf die anderen achte. Er ist der totale Hingucker und ich kann kaum sagen, was der Begleitchor in der Zeit macht. Im Gegensatz dazu ist beim Root Beer Rag immer viel zu viel los. Auch diesmal wusste ich kaum, wo ich hingucken sollte, denn da passierte an jeder Ecke was. Aber ganz egal, wo ich gerade hinsah, es war immer klasse. Die Stelle, an der Dän sein ‘Instrument’ von Ferenc abgenommen bekommt, erhielt begeisterten Szenenapplaus. Das Lied war mal wieder eine Show für sich.

Sexbomb kam mir lange ‘neu’ im Programm vor, ist aber inzwischen sehr überzeugend geworden. Gehört jetzt wirklich dazu. Sehr schön, als Ferenc mit Schwung auftauchte und diesmal sogar von der Nebelmaschine unterstützt wurde. (Haben sie die zu Weihnachten bekommen?) War zwar erst ein bisschen viel Dampf, aber das Bassjackett glitzerte durch und kam gut an. Und seine französische Strophe war wie immer klasse und bekam viel Gelächter.

Auch der Britney-Tanz bei Schlag mich, baby kam sehr gut an, obwohl die hart erarbeitete Erotik nicht ganz ernstgenommen wurde, und es hier und da unterdrücktes Gekicher oder sogar offenes Lachen gab. Am Ende aber auch verdienten, johlenden Applaus. Schön auch, als Dän danach ‘Marcello Sarini’ für Ich will keine a-cappella mit ausgestrecktem Arm von rechts ankündigte, und der überraschend von links kam. Clemens erhielt einen Verweis, weil er während der Ansage Faxen mit einer Schlange machte. Die war aus Stoff und kurz nach einem Stoffelefanten auf der Bühne gelandet. Beide aus der Juniortüte einer bekannten Fastfoodkette, was Dän die Bemerkung: „… keine Kosten gescheut …” entlockte.

Zum endgültigen Abschluss Golden Eye mit unheimlicher Beleuchtung und sehr aktiver Nebelmaschine. Es sah wunderschön aus, als sich die Nebelkringel im Scheinwerferlicht kreiselnd bewegten. Eddi lebte das Stück und versetzte sich wieder komplett in seine Rolle, während die anderen um ihn herum spielten. Ist eine gelungene Kombination, die immer wieder einen faszinierenden Abschluss des Konzertabends bildet.

Das Licht ging nach dem letzten Stück sehr schnell an und die Aula leerte sich zügig. Insgesamt ein ruhigeres, jedoch durchaus begeistertes Publikum, das aber wahrscheinlich an den kommenden Montagmorgen dachte. Dementsprechend war auch der Afterglow nicht gerade brechend voll, aber nett.

Und ich machte mir keine Gedanken mehr über die Zukunft. Nicht, dass ich das irgendwie bezweifelt hätte, aber ich hatte gemerkt, dass sich ein Wise Guys Konzert auch im Jahr 2001 für mich lohnt. Und ob ich nun vor dem Computer ende, beim Hören einer Wolfgang-Petry-CD oder unter der Brücke … ist doch auch egal! Hauptsache, ich hatte bis dahin ‘ne Menge Spaß!

Unvollständige Liedliste:
Frühlingslied
Ich war noch nie bei RTL
Zur Lage der Nation
Ohne dich
Meine heiße Liebe
Mädchen lach doch mal
Willst du mit mir gehn
Root Beer Rag
Sexbomb
Schlag mich, baby
Ich will keine a-cappella
Golden Eye